Liebeserklärung an eine Frau

Kultur / 07.05.2021 • 20:35 Uhr
Liebeserklärung an eine Frau

Renate Welsh hat ihren Roman „Johanna“ fortgesetzt.

erzählung Die harte Lebensrealität eines unehelich geborenen Kindes in einem österreichischen Dorf der 1930er-Jahre schilderte Renate Welsh in ihrem 1979 erschienenen Roman „Johanna“. Nun hat die 83-jährige Autorin eine Fortsetzung geschrieben. „Die alte Johanna“ gibt einen Rückblick auf ein mühsames Leben und einen Einblick in ein Sterben, das auch nicht gerade leicht fällt. „Sie hat bewiesen, dass ein Mensch mehr sein kann als die Summe dessen, was ihm widerfahren ist“, heißt es im Vorwort über das Vorbild der Johanna, ihre Nachbarin in jenem Dorf, in dem Welshs Vater ein altes Bauernhaus kaufte. „Sie war klug, großzügig, lebendig, stur, unbequem, neugierig, offen.“ Das Vorwort ist eine wahre Liebeserklärung an die Frau, die ihr anfangs verwehrt hatte, über sie zu schreiben.

Als ihr Mann gestorben war, las die Nachbarin „Johanna“ schließlich. „Ihr einziger Kommentar war: ‚Ich weiß nur nicht, wieso du auch das geschrieben hast, was ich dir nicht erzählt habe.‘ Ein paar Jahre später sagte sie dann: ‚Wir müssen einen zweiten Band schreiben, der hört ja auf, noch bevor meine Älteste auf die Welt gekommen ist.‘“ Acht Kinder hat sie bekommen.

Vom Loslassen

Es war ein langsames Loslassen von Verpflichtungen und Verantwortungen, gezeichnet vom Nachlassen der körperlichen Fähigkeiten, vom Verlust jener Energie, die Johanna immer über sich hinauswachsen ließ. „Die alte Johanna“ widmet dem Altern, dem Gefühl des langsamen Verschwindens aus der Welt, mindestens ebenso breiten Raum wie dem Rückblick. Welsh erzählt ganz aus der Gegenwart, in der die Frau, die sich ihr Leben lang abgerackert hat, nun von einer ihrer Töchter versorgt wird und dabei auch körperliche Nähe zulässt.  Die alte Johanna wird – trotz ihrer ruppigen Seiten, die auch nicht verschwiegen werden – von ihren Nachkommen geliebt und geschätzt, vom ganzen Dorf geachtet. Für die Enkerl ist sie „die beste Oma auf der kanzen Welt“. Sie stirbt im Schlaf.

“Die alte Johanna”, Renate Welsh, Czernin Verlag, 256 Seiten.