Eine beklemmende Fallstudie

Kultur / 21.05.2021 • 16:52 Uhr
Teresa hört aufSilvia PistotnigMilena64 Seiten

Teresa hört auf

Silvia Pistotnig

Milena

64 Seiten

Glücklich damit zu werden, ist nicht Aufgabe von Literatur.

Roman Dieses Buch ist nichts für sensible Gemüter und empfindliche Mägen. Was sich hinter Silvia Pistotnigs Romantitel „Teresa hört auf“ verbirgt, ist ein radikales Aussteigen aus allen sozialen Zusammenhängen und Erwartungen. Da kann es den Lesern leicht ergehen wie den Eltern der jungen Frau, die fassungs- und ratlos zusehen müssen, wie sie ihre Tochter zusehends verlieren und auch psychiatrische Hilfe nicht möglich ist. Ohne Selbst- oder Fremdgefährdung gibt es keine Einweisung.

Eindringlich

Die künstlerisch hochbegabte Ex-Wirtschaftsstudentin Teresa arbeitet zwar in einem Teil des Buches in einer Agentur für Maturareisen, kündigt jedoch ihren Posten, in dem sie anerkannt und erfolgreich, doch genervt war, um sich ganz ihrem nächsten Projekt zu widmen. Diese Projekte könnte man zwar als soziale Skulpturen oder Performances interpretieren, und die hyperrealistischen, detailgenauen Zeichnungen von Körperteilen, die Teresa von sich anfertigt, um ihr zerrissenes Ich allmählich wieder zusammenzufügen, zählen zu den interessantesten Ideen des Buches, doch in vielen Rückblenden wird immer klarer, dass ihre akribisch geplanten und konsequent verwirklichten Projekte mehr mit der Emanzipation von ihren zwar hochgebildeten, aber konservativen Eltern als mit Kunst zu tun haben.

Teresa, die sich mitunter auch Betty oder Yvonne nennt, hat ihr Ich-Bewusstsein verloren und setzt sich immer extremeren Prüfungen aus, um den Kern ihrer Persönlichkeit zu finden. Was passiert mit ihr und ihrer Umgebung, wenn sie sich monatelang nicht mehr wäscht? Nicht mehr schläft? Nur noch ungesundes Zeug, das dafür in Massen, zu sich nimmt? Bei ihrem Fressorgien-Projekt lernt sie Nicole kennen, die zu ihrer engsten Bezugsperson wird. Während Teresa alles Gegessene wieder erbricht, behält Nicole es bei sich. Der Unterschied ist im zweistelligen Kilobereich zu messen. Richtig gespenstisch wird es, als Teresa erfährt, dass Nicole einen erwachsenen Sohn hat und diesen zu ihrem nächsten Projekt auserwählt: Um Nicole nahe zu sein, möchte sie sie zur Oma machen. Sie verführt den Sohn, wird schwanger – und macht der Freundin das Kind zum „Geschenk“. Da hört sich dann alles auf. Nur nicht das Buch. Denn das hat noch einen Epilog, der es ebenfalls in sich hat.

„Teresa hört auf“ ist ein eindringlicher Roman und eine beklemmende Fallstudie. Glücklich wird man mit dem Buch nicht. Aber das ist ja wohl auch nicht die Aufgabe von Literatur.