Fotokünstler und Künstlerfotograf

Ernst Jandl und Friederike Mayröcker.
Zum Geburtstag von H.C. Artmann erinnert sich Sepp Dreissinger an eine der ersten porträtierten Persönlichkeiten.
Salzburg, Feldkirch Die Intuition habe ihn geleitet, meint Sepp Dreissinger. Den Moment zu spüren, an dem er auf den Auslöser drücken kann, brachte dem Vorarlberger eine Nennung in der Reihe der anerkanntesten Fotografen der Welt ein. Dass der gegenseitige Respekt eine sehr gute Voraussetzung für die Begegnung mit Künstlerinnen und Künstlern ist, die er porträtierte, versteht sich. Es muss aber noch etwas gewesen sein. Wer den Werdegang von Sepp Dreissinger, der demnächst seinen 75. Geburtstag feiert, kennt, den wundert es nicht, dass auch die Musik eine wichtige Rolle spielte. So auch bei der Begegnung mit dem Lyriker, Schriftsteller und Übersetzer H.C. Artmann (1921-2000), zu dessen 100. Geburtstag nun in Wien wie in Salzburg Veranstaltungen stattfinden, bei denen auch die Fotoporträts zu sehen sind.
Der aus Irland stammende, in Vorarlberg bestens bekannte Musiker John Gillard hielt schon länger Kontakt zu Artmann, Dreissinger, selbst an der Gitarre wie als Musikpädagoge ausgebildet, war sofort willkommen. Er hatte sich gerade eine Kamera gekauft und somit sind die ersten Porträts von “diesem wunderbaren Typen” entstanden. Über die Jahre kamen weitere hinzu, die sich Literaturfreunden einprägten wie jene vom Schriftsteller Thomas Bernhard. Mit Bernhard habe man keinen Termin ausmachen können, weil er das Telefon ablehnte, erzählt Dreissinger. Wenn die Tür bei seinem Hof in Ohlsdorf nur angelehnt war, habe man gewusst, dass er da ist. In Wien sei er etwa ab 10 Uhr vormittags im Café Bräunerhof anzutreffen gewesen. Davor entstand dann auch jenes Bild mit dem Schriftsteller auf der Bank und einigen Kindern im Hintergrund, mit dem Dreissinger nicht nur eine Ikone der Porträtfotografie gelungen ist, diese und weitere Aufnahmen bleiben für viele unweigerlich mit dem Werk verbunden.
Gulda und Lassnig
Wer mit Sepp Dreissinger über die Begegnungen mit den Künstlerpersönlichkeiten spricht, erfährt keine oberflächlichen Anekdoten. Es sind berührende Momente, die sich für die Betrachter mit seinen Bildern verschränken wenn er etwa davon erzählt, dass er mit der großen österreichischen Malerin Maria Lassnig, begleitet mit der Ukulele, französische Lieder gesungen hat oder wenn er mit dem berühmten Pianisten Friedrich Gulda ein Wohnzimmerkonzert gab.
Mayröcker und Jandl
Bei Friederike Mayröcker war Sepp Dreissinger gern gesehener Gast. Die bedeutende, vielfach ausgezeichnete, vor einer Woche im Alter von 96 Jahren verstorbene österreichische Dichterin, für die Leben und Literatur eins waren, hatte ein Bild des Fotokünstlers immer in ihrer Nähe. Es zeigt sie mit dem Dichter Ernst Jandl in der Sekunde vor einem Kuss. Im Alltag setzte das Schriftstellerpaar, das auch gemeinsam Werke schuf, auf Distanz und wohnte getrennt.
Die Künstler Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl realisierten jüngst Arbeiten im Kunsthaus Bregenz. Im kommenden Jahr werden sie Österreich auf der Biennale von Venedig vertreten. Sepp Dreissinger fotografierte Scheirl noch als junges Mädchen. Die Fotos wurden vertrauensvoll freigegeben. In einigen Monaten soll ein umfassendes Werk die vielen Dressinger-Publikationen ergänzen. Vielleicht ist diese Aufnahme dabei.
„Ich möchte die Persönlichkeit zeigen und die positive Energie der Menschen einfangen.“


Zur Person
Sepp Dreissinger
Geboren 1946 in Feldkirch
Ausbildung Musikstudium Mozarteum Salzburg
Tätigkeit Fotokünstler, Musikpädagoge, Lehrbeauftragter für künstlerische Fotografie
Arbeiten u. a. zahlreiche Publikationen zu Thomas Bernhard, weiters zu Maria Lassnig, zu Künstlerporträts, Publikation „Im Kaffeehaus“ mit Gesprächen und Fotografien etc.
zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland
Fest zum 100. Geburtstag von H.C. Artmann am 12. Juni, ab 13 Uhr, im Literaturhaus Salzburg. Ausstellung mit Bildern von Sepp Dreissinger.