Die Zeit der Grand Tour
Wenn ich einen Wunsch auf eine Zeitreise frei hätte, dann würde ich mir möglicherweise wünschen, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als gut betuchter Mann mit entsprechender Bildung die sogenannte Grand Tour zu machen. Das würde bedeuten, dass ich vom zentralen Europa über viele Wochen und Monate Richtung Süden fahren würde, an vielen Stätten und in vielen Städten lange Station machen und Museen besuchen würde, zudem interessante Menschen, Künstler vor allem, treffen würde, dann weiterziehen und schließlich für lange Zeit in Rom bleiben würde. Das war das, was das Bildungsbürgertum damals unter der Grand Tour verstand. Genau diese Grand Tour – bezogen nicht zuletzt auf Angelika Kauffmann – ist derzeit das Thema im Museum in Schwarzenberg.
Auf diese Grand Tour begab sich auch die in Chur geborene, durch den Vater aus Schwarzenberg stammende Angelika Kauffmann. Sie hatte bereits etwas Aufsehen erregt, als sie mit erst sechzehn Jahren beim ersten Besuch in der „Heimat“ die Apostelfresken in der Schwarzenberger Kirche gemalt hatte. Dann ging es – nach dem Tod der Mutter – mit dem Vater nach Italien. Mailand, Florenz, Rom und Neapel waren die wichtigen Orte, an denen sie sich aufhielt. Vor allem Rom, wo durch die Forschungen des deutschen Altertumskundlers Johann Joachim Winckelmann eine Welle der Antikenbegeisterung ausgelöst wurde, war zentraler Aufenthalt. Das Porträt, das Angelika über Winckelmann anfertigte, machte sie schlagartig in der Fachwelt berühmt. Zu berühmt, meinte sie – und verließ Rom in Richtung London, wo sie für die nächsten 15 Jahre bleiben sollte und ihren Ruhm noch vermehrte.
Dann, ab 1781, Rückkehr nach Rom – und das bis zum Lebensende 1807. In diese Zeit porträtierte sie, wie schon in London, den Hochadel Europas, Kaiser Joseph II. oder die Königsfamilie in Neapel.
Wichtig waren Freundschaften mit Geistesgrößen der Zeit, Johann Gottfried Herder oder vor allem Johann Wolfgang von Goethe gehörten dazu. Mit Goethe verband sie eine ganz besondere Beziehung, wenngleich ihr Porträt des Dichterfürsten (zu sehen im Goethehaus in Weimar) gänzlich misslang.
Einige dieser wichtigen Begebenheiten, Bilder, Stiche und Studien sind derzeit im Kauffmann-Museum in Schwarzenberg zu sehen. Die wie hier immer kleine, aber feine Ausstellung wird durch einen wunderbar informativen Katalog von Thomas Hirtenfelder mit einem Aufsatz zur neuen Kauffmann-Forschung von Bettina Baumgärtel aufs Beste ergänzt. Und so macht es Freude, wieder einmal Neues und schon Bekanntes von Kauffmann und ihrer künstlerischen Umgebung zu sehen.
„Einige dieser wichtigen Begebenheiten, Bilder, Stiche und Studien sind derzeit im Kauffmann-Museum in Schwarzenberg zu sehen.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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