„Klassik Krumbach“ lebt weiter – und wie!

Kultur / 09.08.2021 • 16:00 Uhr
„Klassik Krumbach“ lebt weiter – und wie!
Krumbach Klassik mit Natalia Sagmeister und Alex Ladstätter und namhaften Musikerkollegen. Ju

Auch eine umständehalber verkleinerte Ausgabe des Festivals hatte ihren Reiz.

Krumbach Auch für einen passionierten Konzertgeher gibt es kaum einmal einen Anlass, den man so glücklich verlässt wie am Sonntag die „Klassik Krumbach“. Weil rundum einfach alles gestimmt hat: das Programm, musiziert von einem jungen, hochprofessionellen Ensemble, das Ambiente in der heimeligen Kirche mit guter Akustik, ein gespannt mitfieberndes Publikum. Ungemach bereiteten allein die unbequemen Kirchenbänke, aber das ist zu verschmerzen. Es war das zweite der beiden Konzerte, mit denen die als Intendanten tätigen Geschwister Natalia Sagmeister, Violine, und Alex Ladstätter, Klarinette, heuer nach einigem Zögern ihr junges Festival „Klassik Krumbach“ zumindest in einer Sparvariante fortsetzten.   

Was wir hier seit fünf Jahren erleben, ist praktisch angewandte „Kunst im ländlichen Raum“. Gerade Krumbach hat schon 2014 vorgemacht, wie es richtig geht: Im Einvernehmen mit der Bevölkerung kreierte man als mutiges Projekt sieben von internationalen Architekten künstlerisch gestaltete „Bus-Wartehüsle“. Zwei Jahre später wurde durch Zufall nach einem Konzert in einem Gespräch zwischen Ladstätter und dem Bürgermeister auch eine kleines, feines Klassik-Musikfestival in der gut tausend Seelen großen, kulturverständigen Gemeinde etabliert, das sich bald prächtig entwickelte und im Vorjahr nur durch die Pandemie gestoppt werden konnte.

Umso größer war allerseits die Freude auf diese Wiederbegegnung. Nach einem umjubelten Auftakt mit spritziger ungarisch-französischer Kammermusik am Samstagnachmittag ist die Kirche zur Matinee am Sonntag wieder voll besetzt. Diesmal geht es mit einer dramaturgischen Steigerung vom Trio zum Quintett vertieft weiter, in einer Konfrontation zweier Antipoden der Musikliteratur. Seitdem David Pountney 2010 bei den Festspielen die Oper „Die Passagierin“ des jüdisch-polnischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg (1919–1996) für die internationalen Bühnen entdeckte, findet auch dessen Kammermusik die Beachtung, die sie schon lange verdient. Krumbach sprang freudig auf diesen Zug auf und präsentiert sein wenig bekanntes Streichtrio op. 48 von 1950, ein rhetorisch wunderbar durchformuliertes Werk. Natalia Ladstätter, Violine, arbeitet gemeinsam mit den beiden russischen Brüdern Georgy und Alexander Kovalev, Viola und Violoncello, die expressive Dichte und die messerscharfen Akzente des Werkes heraus, lässt mit süßem Ton den elegischen zweiten Satz aufblühen, sorgt mit der Wucht der Pizzicati und dem Spiel mit leeren Quinten für Erstaunen. Im marschartigen dritten Satz lässt sich eine deutliche geistige Verwandtschaft mit Schostakowitsch erkennen, der Weinberg als einen der Großen seiner Epoche ansah und zu seinen Wegbegleitern zählte.           

In die wohlig weiche, samtene Welt einer leidenschaftlich glühenden Romantik nimmt das Ensemble seine Zuhörer dann mit im populären Klarinettenquintett h-Moll op. 115 von Brahms. Trotz seines Namens ist es eigentlich kein Klarinettenkonzert, und so integriert sich Alex Ladstätter klanglich und dynamisch mit samtenem Ton und feinen Abstimmungen in allen Registern auch als Teil des Ganzen in die dicht verwobene Stimmführung des Werkes, als erträumbare Einheit des Klangs, des Atmens und Denkens von fünf Musikern, die gemeinsam mit Sebastian Caspar an der zweiten Violine ganz und gar aufgehen im Geiste Brahms’. Der Jubel will darob kein Ende nehmen, es gibt als Zugabe noch einen der Slawischen Tänze von Dvorák.    

FRITZ JURMANN