Zur großen Liedgestalterin katapultiert

Kultur / 27.08.2021 • 17:56 Uhr
Das Klaviertrio trat in dieser Besetzung hier zum ersten Mal auf.
Das Klaviertrio trat in dieser Besetzung hier zum ersten Mal auf.

Mezzo Sophie Rennert überzeugte, ein französisches Startrio beglückte bei der Schubertiade.

SCHWARZENBERG Es ist ein schmaler Grat für die Leitung der Schubertiade, bei einem so hochklassigen Festival diesen Anspruch niemals aus den Augen zu verlieren und dennoch mit Bedacht für stete Erneuerung zu sorgen. Dies geschieht hier von innen heraus, in der Besetzung mit neuen Kräften, die nicht immer auch jung sein müssen. Aber jeder Debütant, wie man sie bei den Konzerten am Donnerstag mit einem jungen Cellisten und einem gestandenen Klavierbegleiter bewundern durfte, vermittelt neue Impulse auch für altbekannte Programme.

So präsentiert sich mit einem reinen Schubert-Programm im vollbesetzten Angelika-Kauffmann-Saal ein französisches Klaviertrio, das in dieser Besetzung zum ersten Mal hier auftritt. Da sind als Grundfesten zwei Publikumslieblinge, der Geiger Renaud Capucon und der Pianist David Fray, die seit ihren Anfängen 2003, bzw. 2008 zum festen Personalbestand zählen. Sie nehmen den 31-jährigen Cellisten Victor Julien-Laferrière wie selbstverständlich als Debütanten in ihre Mitte, auch wenn er wesentlich jünger ist als seine Kollegen. Ein durchaus kalkulierbares Risiko, denn der Newcomer ist natürlich auch längst keiner mehr, hat 2017 den Queen-Elizabeth-Wettbewerb gewonnen und zeigt sich auf der Bühne mit Schuberts ewig junger „Arpeggione-Sonate“ in zupackender Spielfreude, oft ungestüm, aber hoch musikalisch und sehr sanglich.

Ein absolutes No-Go

David Fray, der französische Klaviergott, der neben seiner verehrten solistischen Tätigkeit hier auch als ungemein versierter Begleiter bei allen Besetzungen agiert, kommt auch diesmal nicht ganz ohne seine bekannten Mätzchen aus. Er hat, als absolutes No-Go, statt einer Klavierbank einen Stuhl mit Lehne, in den er sich bei der „Arpeggione“, die für ihn vom Anspruch her einen Spaziergang bedeutet, locker hineinlümmelt. Das ändert sich schlagartig in eine leicht gebückte Haltung über den Tasten, als die Anforderungen in Schuberts Violinsonate A-Dur deutlich höher werden. Gemeinsam mit dem in untadeliger Haltung, klarem Strich, verblüffender Technik und Tongebung brillierenden Meister der Geige ergibt sich eine kompakte Sichtweise, in der das Klavier wie vom Komponisten gewollt mindestens ebenso viel zu sagen hat wie die Violine. Zum Triumph wird das populäre ausholende Klaviertrio B-Dur, das in entspannter Musizierweise nochmals alle guten Eigenschaften ins recht Licht rückt. Ovationen.

Weich wie ein Kuss

Die Grazer Mezzosopranistin Sophie Rennert, die das Nachmittagskonzert bestreitet, hat seit ihrem ersten Auftritt bei der Schubertiade 2015 eine unglaubliche Entwicklung genommen. So war man auch bass erstaunt, als sie nach einem respektablen ersten Schubert-Teil einen mit so tief verstörenden Mahler-Liedern im Innersten ergreift, wie man das von ihr noch nie erlebt hat. Hier war der Schubertiade-Debütant auf der Bühne ihr Klavierbegleiter, der englische Pianist Joseph Middleton. Er hat weltweite Erfahrung mit großen Namen, dennoch bleibt seine Schubert-Begleitung manchmal etwas laut und hölzern. Erst bei Mahler läuft er zu großer Form auf, nimmt die Zeit für die oft gerade noch hörbaren Klavier-Vor- und Nachspiele, die den Inhalt der Lieder kommentieren. Rennert widmet sich Schubert mit großer Hingabe. Auswendig und mit dramatischen Akzenten bewältigt sie mit „Kolmas Klage“ auch eine jener schauerlichen Balladen aus den „Ossian“-Gesängen, an die Schubert seine große Liedkunst verschwendet hat. Mit der notwendigen Atemlosigkeit kommt „Gretchen am Spinnrade“ daher, ihr „Kuss“ in höchster Lage wirkt dagegen nicht schrill wie bei manchen großen Kolleginnen, sondern weich, wie eben ein Kuss. Mit Mahler-Gesängen aus „Des Knaben Wunderhorn“ und fünf Rückertliedern, faszinierend in ihrer morbiden emotionalen Ausweglosigkeit, katapultiert sie sich in die Reihe der großen Liedgestalterinnen bei diesem Festival. Die unerschütterliche Ruhe, die die innere Bewegtheit noch ahnen lässt, eine schlichte Abgeklärtheit, die dem Lied Raum gibt und ihre exzellenten stimmlichen Mittel machen diesen Abschnitt zum Ereignis. Es wird gekrönt durch Mahlers „Urlicht“ als Zugabe für ein begeistertes Auditorium.

Rennert hat seit ihrem ersten Auftritt bei der Schubertiade eine unglaubliche Entwicklung genommen. Schubertiade
Rennert hat seit ihrem ersten Auftritt bei der Schubertiade eine unglaubliche Entwicklung genommen. Schubertiade

Schubertiade heute: 11 Uhr Kammerkonzert; 16 Uhr Liederabend Andrè Schuen, Schuberts „Schwanengesang“; 20 Uhr Klavierabend Francesco Piemontesi (Schubert)