Dem Organisten auf die Finger geschaut

Kultur / 05.09.2021 • 18:53 Uhr
Die Zuschauer konnten die Show von Vincent Thévenaz an der Orgel in einer Video-Übertragung mitverfolgen. JU
Die Zuschauer konnten die Show von Vincent Thévenaz an der Orgel in einer Video-Übertragung mitverfolgen. JU

Vincent Thévenaz bot bei den Montafoner Resonanzen eine richtige Orgelshow.

TSCHAGGUNS Er kam, sah und musizierte auf der alten Bergöntzle-Orgel wie ein junger Gott. Die Montafoner Resonanzen haben mit dem 42-jährigen Genfer Titularorganisten Vincent Thévenaz einen neuen Star, der dem kostbaren Instrument von 1816 in der Wallfahrtskirche gleich bei seinem Konzert-Debüt die unglaublichsten Klangmischungen und Effekte entlockte. Sehr zur Begeisterung der zahlreichen Zuhörer, die seine Show an der Orgel in einer Video-Übertragung mit zunehmender Begeisterung mitverfolgten, wie er zwischen den drei Manualen hin- und herswitchte und dabei während des Spiels noch selber umregistrierte. Da konnte man nun dem sonst auf der Empore versteckten Organisten endlich einmal „auf die Finger schauen“. Kurator Markus Felbermayer, der sein Festival in den letzten Jahren inhaltlich zum unverzichtbaren und ausgezeichnet besuchten sommerlichen Kulturangebot an besonderen Orten ausgebaut hat, bewies da bei der Auswahl wieder einen Glücksgriff. Dabei gibt es eine historische Verbindung des Montafon zur Westschweizer Stadt. Der gebürtige Gaschurner Bernhard Josef Tschanun baute 1869 in Partenen eine heute noch intakte Orgel und gründete damals in Genf eine ganze Orgelbaufirma, deren Spezialisten bis heute die historischen Orgeln des Elsässers Joseph Bergöntzle in Bludesch und Tschagguns fachlich betreuen.

Beide Werke sind in ihrer Bauweise geprägt von einer stark französisch beeinflussten Stilistik, die Thévenaz mit ihren schmetternden Trompetenregistern, der knalligen Posaune im Pedal und den schnarrenden Zungen imposant zur Schau stellt und dieses südländische Barock-Repertoire wirkungsvoll kontrastiert mit den Säulenheiligen der Familie Bach im norddeutschen Barock. Dafür hat er sich ein Programm ausgedacht, das unter dem gängigen Motto „Le Concert de Nations“ die Zuhörer mitnimmt auf eine kurzweilige musikalische Reise durch das Europa im Zeitalter der Aufklärung, die im 18. Jahrhundert auch die galante Epoche umfasste mit jeweils starken Einflüssen von außen. Die 38 Register der Orgel eröffnen ihm ein reichhaltiges Angebot, um seine Klangfantasie verschwenderisch umzusetzen.

Stets mit einem kleinen Lächeln

So erlebt man verblüfft, wie Jean-Philippe Rameau in seiner Vorliebe für Exotik eine galante Suite mit indischen Einflüssen vorlegt, darunter ein „Tambourin“ mit lustigen perkussiven Einlagen. Großmeister Johann Sebastian Bach nimmt ungeniert Anleihen bei einem temperamentgeladenen südländischen Konzert des Italieners Antonio Vivaldi, sein Sohn Carl Philipp Emanuel verwendet ein spanisches Thema aus dem 16. Jahrhundert zur Vorlage für ein vertracktes Variationenwerk. Das Offertorium eines gewissen Jean-Jacques Beauvariet-Charpentier klingt stellenweise wie Musik seines Zeitgenossen Mozart, der wiederum in seinem „Rondo alla Turca“, dem berühmten „Türkischen Marsch“, auf die Kultur des Morgenlandes zurückgreift. Das kommt bei Thévenaz alles so selbstverständlich, stilistisch untadelig, lebendig und stets mit einem kleinen Lächeln auch für die Zuhörer zur Wirkung, dass man hin und weg ist von dieser Mischung aus eleganter Virtuosität und dem berühmten französischen Laissez-faire.

Das Festival „Montafoner Resonanzen“ endet zum Schwerpunkt „Cross-Over“ mit Konzerten vom 9. – 11. (Filmvorführung am Vermunt-Stausee) sowie 16. und 17. September.