„Lyra Griechenlands“ ist tot
Vor wenigen Tagen waren wir in Vorbereitung zu einem Urlaub in Griechenland – nach langer Zeit war das wieder möglich geworden. Um die besondere Stimmung schon früher einzufangen, legten wir griechische Musik auf, Lieder und Tänze, die Berühmtheit erlangt hatten. Die schönsten und bekanntesten davon stammten von einem kretischen Komponisten: Mikis Theodorakis. Und während wir das hörten erreichte uns die Nachricht, dass dieser große griechische Musiker gestorben ist. Es schien uns unfassbar, genau so, wie es die griechische Kulturministerin Lina Mendoni gesagt hatte: „Wir glaubten nicht, dass Mikis sterben könnte.“ Irgendwie war es so: Mikis Theodorakis war immer da, seit ich denken konnte. Seine Musik begleitete mich von meinem ersten Griechenlandaufenthalt vor vielen Jahrzehnten bis heute. Tröstlich ist einzig, dass das auch nach seinem Tod nicht aufhören wird, weiter werden wir die Musik der „Lyra Griechenlands“ hören, singen und tanzen.
Jeder kennt etwas von Mikis Theodorakis, selbst wenn er meint, nichts zu wissen. Denn jeder kennt die berühmte Musik zur Verfilmung von „Alexis Sorbas“, dem griechischsten Roman aller Romane, geschrieben von dem Kreter Nikos Kazantzakis, verfilmt von Michael Cacoyannis mit Anthony Quinn in der Hauptrolle und der Filmmusik von Mikis Theodorakis. Es war die Geburtsstunde des weltberühmten und immer wieder kopierten Sirtaki, des einfachen griechischen Tanzes, der nur deshalb so choreografiert wurde, weil Anthony Quinn nicht gerade ein begnadeter Tänzer war. Diese einfache Schrittfolge schaffte aber auch er.
Der „Sorbas“ war der größte Erfolg von Theodorakis, er war aber nicht seine kompositorisch bedeutendste Leistung. Die findet man eher beim „Axion Esti“ („Gepriesen sei“) des kretischen Dichters Odysseas Elytis, der für diese „griechische Nationaldichtung“ 1974 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Theodorakis schuf eine kongeniale Musik dazu – und würde es einen Nobelpreis für Musik geben, so hätte er ihn vermutlich für dieses großartige Werk erhalten. Noch ein anderer griechischer Autor erhielt den Literatur-Nobelpreis: Giorgos Seferis. Er wurde nicht zuletzt durch seine Gedichte bekannt, einige von ihnen wurden von Mikis Theodorakis vertont und sind heute so als Volkslieder in Griechenland verankert, dass die Menschen kaum mehr wissen, von wem Worte und Musik stammen. Vieles könnte, vieles müsste man noch zu Mikis Theodorakis erwähnen, vor allem seine politische Haltung, die ihn immer wieder in Widerstand, Verfolgung und Folter zu rechten Diktaturen brachte. Nicht nur ein großer Komponist, auch ein immer aufrechter Demokrat hat uns für immer verlassen.
„‚Wir glaubten nicht, dass Mikis sterben könnte.‘ Irgendwie war es so: Mikis Theodorakis war immer da, seit ich denken konnte.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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