Zwei Frauen machen ein starkes Stück noch stärker

Kultur / 20.09.2021 • 21:00 Uhr
Zwei Frauen machen ein starkes Stück noch stärker
„Else (ohne Fräulein)“ mit Maria Lisa Huber und Silvia Salzmann am Vorarlberger Landestheater. Fotos: VLT/Köhler

„Else (ohne Fräulein)“ mit Maria Lisa Huber und Silvia Salzmann am Vorarlberger Landestheater.

Bregenz Arthur Schnitzler (1862-1931), der bekannte österreichische Dramatiker und Erzähler, war ausgebildeter und auch praktizierender Arzt. Feminist war er nicht. Die Fokussierung von Frauenschicksalen in seinem Werk ist der Epoche geschuldet. In seiner Zeit wurde das Frauenwahlrecht erkämpft, die Psychologie hatte sich als Wissenschaft etabliert, in Wien wurde die Psychoanalyse zum großen Thema. Das Patriarchat konkret als ein Grundübel zu benennen, das alle Bereiche des Lebens durchdringt, war nicht sein Ding, in der Novelle „Fräulein Else“, klingt es zumindest an.

Else (ohne Fräulein)
Else (ohne Fräulein)

Thomas Arzt (geb. 1983) ist Schriftsteller, der sich in seinen Werken oftmals mit Biografien von Frauen auseinandersetzt. Für das Vorarlberger Landestheater hatte der Oberösterreicher das Stück „Hollenstein, ein Heimatbild“ verfasst, in dem er die Sympathien, die die Lustenauer Malerin Stephanie Hollenstein (1886-1944) für das Nazi-Regime hegte, ihrem Kampf um Anerkennung als Künstlerin und einen selbstbestimmten Lebensentwurf gegenüberstellte. Nun nimmt sich diese Bühne seinem Werk „Else (ohne Fräulein)“ an, das Schnitzlers Novelle hinsichtlich der Gültigkeit in der Gegenwart überprüft. Vorarlberger Theaterbesuchern ist das Ergebnis bekannt, kurz nach der Uraufführung am Theater Phönix in Linz erfolgte ein Gastspiel im Bregenzer Kosmos. Den Monolog hatten sich in dieser Inszenierung drei Schauspielerinnen geteilt, eine davon war Maria Lisa Huber, die nun in Bregenz auf der Bühne steht, hier ebenfalls nicht allein, vermittelt wird das, was ihr widerfährt auch von der Tänzerin Silvia Salzmann.


Ein großartiges Konzept, für das Salzmann selbst die Choreografie entworfen hat und für das die Ausstatter Marina Deronja und Bartholomäus Kleppek einen verschiebbaren Kubus gestaltet haben. Mit Wänden, die sich öffnen lassen gibt er die Spielorte (Hotelzimmer, Boot, Steg am Strand etc.) vor, lässt mit Wellenprojektionen auch etwas vom Undinenmythos hereinwehen und wird zum Seelenraum, in dessen Spiegelflächen sich das Publikum selbst sieht. Ein alter Effekt wird von Regisseurin Birgit Schreyer Duarte klug in eine Geschichte verzahnt, die auf vielen Ebenen spielt. Abgesehen davon, dass der Autor mit dem Titel auf den Umstand anspielt, dass auch Österreich – spät, aber doch – die abwertende Anrede Fräulein offiziell abgeschafft hat, bleibt er nahe bei Schnitzler. Dem Vater, dem Else helfen will, wird ein Steuervergehen zur Last gelegt, inwieweit die Mutter und die Tante in die unmoralischen Vorgänge involviert sind, wird hier nicht so klar dargelegt, wie im Basistext. Dafür ist Else hier jünger und mit ihren 15 Jahren eine Heranwachsende, die die Wirkung des eigenen Körpers entdeckt, der erotische Signale und Spielarten in Zeiten von Internet und iPhone inklusive Sexting aber nicht fremd sein können. Die konkrete Involviertheit ist ihr Konflikt. Die Regie gibt ihm Wirkung, Maria Lisa Huber und Silvia Salzmann vermitteln ihn im Rahmen eines großen Spektrums an schönen Freiheitsgefühlen und beängstigender Beklemmung.

Eine starke Leistung der beiden Künstlerinnen, in der nichts ins Plakative kippt, die von großer Sensibilität zeugt und tief berührt. Die Regie vertraut darauf, dass die unsichtbaren Personen im Hintergrund zumindest in Umrissen fassbarer werden. Dass es ein Richter ist, der die junge, sexuell unerfahrene Frau in seiner Geilheit demütigt, erschüttert weniger als die Tatsache, dass ein Konstrukt, das über Jahrhunderte viel Leid auslöste, überhaupt immer noch ein Thema ist, dass nämlich Väter oder Partner über das Leben von Frauen bestimmen.


In der Produktion „Else (ohne Fräulein)“ kommt dank der Arbeit von Maria Lisa Huber und Silvia Salzmann viel zum Vorschein, über das sich mit Menschen ab 12 zu sprechen lohnt.

Zahlreiche weitere Aufführungen vom 24. September bis 5. November in der Box des Landestheaters am Bregenzer Kornmarkt.