Nie auch nur der Hauch einer Unsicherheit

Künstlerin Elisso Gogibedaschwili machte Violinkonzert mit Arpeggione zum persönlichen Triumph.
HOHENEMS Ein Abend, auf den die junge Geigerin Elisso Gogibedaschwili über eineinhalb Jahre warten musste, bis er für sie nun zum Triumph wurde. Ständige Lockdowns verhinderten zuvor alle Ersatztermine für das im März 2020 geplante Beethoven-Violinkonzert, erst dieser vierte Anlauf am Samstag führte endlich zum Erfolg. Die so überragende künstlerische Leistung einer 21-Jährigen, der Jubel und die spontanen Standing Ovations des Publikums waren wohl auch die einzig richtige Antwort auf die Unbilden und Probleme von Corona.
Freilich ging auch dieser vierte Anlauf in einem zusätzlichen Schlusskonzert zur achtteiligen „Arpeggione“-Reihe nicht ohne strenge behördliche Auflagen vonstatten. Auch Stéphanie Waldburg-Zeil mahnte als Präsidentin in ihrer Begrüßung die Zuhörer: „Genießen Sie es, das ist heute alles nicht mehr so selbstverständlich!“ Wie in einer Vorahnung hatte auch Intendant Irakli Gogibedaschwili für dieses Programm das Motto „Schicksalsjahr“ ausgegeben, womit freilich 1870 gemeint war, als Richard Wagner seiner Gattin Cosima in der Villa Triebschen bei Luzern zum Geburtstag sein traumhaftes „Siegfried-Idyll“ schenkte. Da zeigen sich unter ihrem wiedergenesenen Chefdirigenten Robert Bokor die „Arpeggione“-Musiker erstmals an diesem Abend in großer Form, versenken sich klangschön und voll Inbrunst, aber ohne übertriebenes Pathos in diesen scheinbar endlosen Fluss der Melodien Wagners, die an Zuneigung und Intimität kaum zu übertreffen sind. Schon zuvor hat das berühmte Sextett aus der Oper „Capriccio“ von Richard Strauss in der Orchesterfassung durch die hohe Qualität der Streicher aufhorchen lassen. Robert Bokor ist bei beiden Werken ein angenehm unaufgeregter, präziser und präsenter Motivator, der in seinem Gestaltungsspielraum die Übersicht, den großen Fluss bevorzugt.
Lang ersehnt
Und dann der lang ersehnte Höhepunkt mit Beethovens einzigem Violinkonzert, einem 45-minütigen Standardwerk der Violinliteratur. Elisso Gogibedaschwili, die mit fünf Jahren ihre ersten Bogenstriche gesetzt hat und heute international unterwegs ist, spielt das Werk auswendig, eine unglaubliche Leistung, mit der die Geigerin als blendende Bühnenerscheinung gleich einmal überrascht. Beethovens einziges Violinkonzert ist kein extrem geläufiges Virtuosenstück, seine Anforderungen liegen mehr im Lyrischen, in der Ausdruckskraft, der Gefühlstiefe des Soloparts, die sie mit blühendem Ton auf ihrer Guarneri von 1800 auch betont, besonders im Larghetto. Vor allem im Rondo aber langt sie auch mal kraftvoll zu, in blitzenden Läufen und Kaskaden bis in höchste Lagen, wahrt in jeder Situation die Haltung der großen, überlegenen Künstlerin, die genau weiß, was sie will und niemals auch nur den Hauch einer Unsicherheit zulässt. Sie fühlt sich wunderbar getragen vom Dirigenten und jedem einzelnen Musiker, die alle auf ihrer Seite sind, ihr im sprechenden Dialog eine fundierte, flexible Basis zur Entfaltung ihres Soloparts bieten. Als Zugabe hält sie ein verinnerlichtes Bach-Adagio in g-Moll parat.
Steile Karriere
Ein denkwürdiger Abend für das Hohenemser Kammerorchester Arpeggione, seinen Intendanten, seinen Chefdirigenten, sein Publikum. Vor allem aber für die junge Künstlerin Elisso Gogibedaschwili, die es wieder mal allen gezeigt hat und für deren weitere steile Karriere man gerne die Hand ins Feuer legen möchte. Man wird in Zukunft noch viel von ihr hören.

23. Jänner 2022, 11.00 Uhr, Rittersaal Hohenems:a Programmpräsentation der „Arpeggione“-Saison 2022