Feier der zeitgenössischen Musik

Kultur / HEUTE • 14:37 Uhr
Feier der zeitgenössischen Musik
Lorenza Borrani interpretierte das Violinkonzert der Schweizrt Komponisten Ursina Maria Braun. dietmar mathis

Am vergangenen Wochenende war der Auftakt der Aboreihe des Symphonieorchesters Vorarlberg.

Bregenz Das erste Abonnementkonzert bot ein Programm, das von einem Klassiker der Opernliteratur über eine bemerkenswerte zeitgenössische Uraufführung bis hin zu einer jugendlich-frischen Schubert-Symphonie reichte. Unter der Leitung – oder besser: im Zusammenspiel – von Lorenza Borrani, die in der Doppelrolle als Solistin und „Play & Conduct“-Künstlerin auftrat, entstand ein Abend, der in seiner Dramaturgie einen klaren Höhepunkt besaß: das neue Violinkonzert der jungen Schweizer Komponistin Ursina Maria Braun.

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Komponistin Ursina Maria Braun (links) mit der Solistin Lorenza Borrani (beide stehend). dietmar mathis

Zum Auftakt stand Gioachino Rossinis Ouvertüre zur Oper „Il barbiere di Siviglia” auf dem Programm. Ein Stück, das normalerweise vor Temperament sprüht und mit Schwung, Witz und rhythmischer Schlagkraft unmittelbar für gute Laune sorgt. Diesmal allerdings wirkte die Interpretation etwas gebremst, fast lustlos. Die Leichtigkeit, die Rossinis Musik zu einem Ohrwurm der Operngeschichte macht, wollte sich nicht recht entfalten. Möglicherweise lag der Fokus des Orchesters bereits auf dem, was folgen sollte: der Erstaufführung eines neuen Werks, das in seiner Substanz weit über das Routinehafte hinausreichte.

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Das erste Abokonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg. dietmar mathis

Mit Ursina Maria Brauns Violinkonzert erhielt das Publikum ein Werk zu hören, das von einer ganz eigenen Musikalität geprägt ist. Die 1992 geborene Komponistin, die seit 15 Jahren in Österreich lebt, hat ein Stück geschaffen, dessen Wucht sich nicht in Lautstärke oder Schwere äußert, sondern in der Zartheit seiner musikalischen Linien. Schon der erste Satz, geprägt von einer vehement auftretenden Solovioline, die unbeirrt ihren Weg geht, setzt ein klares Zeichen. Im zweiten Satz wachsen Solovioline und Orchester zu einem einzigen Organismus zusammen, die Musik verfeinert sich bis zum Flüsterton und lässt eine Atmosphäre entstehen, die von berührender Innigkeit getragen ist.

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Das erste Abokonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg. dietmar mathis

Der dritte Satz schließlich entfaltet eine kantable Linie von berührender Einfachheit – fast wie ein Schlaflied oder eine schlichte Liebeserklärung, die mit unerwarteter Tiefe an die Herzen rührt. Braun schöpfte die Möglichkeiten der Instrumente voll aus. Zupfen, Klopfen und sogar der Einsatz der Geige wie einer Gitarre gehörten zum Klangrepertoire. Damit führte sie vor, wie zeitgenössische Musik nicht nur experimentell, sondern auch unmittelbar sinnlich erfahrbar werden kann.

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Das erste Abokonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg. dietmar mathis

Dass dieses Werk so eindrücklich zur Geltung kam, lag nicht zuletzt an Lorenza Borrani. Die 1983 in Florenz geborene italienische Geigerin trat als Solistin und zugleich als Dirigentin auf – eine anspruchsvolle Aufgabe, die sie mit Souveränität und Charisma meisterte. Selbst als ihr während des Spiels eine Saite riss und sie das Instrument kurzfristig wechseln musste, ließ sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit großer Konzentration und Spielfreude formte sie die österreichische Erstaufführung zu einem eindrucksvollen Erlebnis.

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Das erste Abokonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg. dietmar mathis

Nach dieser intensiven Erfahrung wirkte Franz Schuberts 5. Symphonie in B-Dur wie ein Rückgriff auf die heitere, lichte Seite der Musikgeschichte. Mit nur 19 Jahren komponierte Schubert ein Werk, das von jugendlicher Frische, Eleganz und kammermusikalischer Klarheit geprägt ist. Die Transparenz der Partitur, die an Mozart erinnert, ließ das Orchester in leuchtenden Farben erstrahlen. Borrani gestaltete gemeinsam mit dem nun in Schwung gekommenen Orchester ein stimmiges Ganzes: unprätentiös, stilbewusst und voller Leichtigkeit.

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Das erste Abokonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg. dietmar mathis

Das erste Abokonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg bewies Mut zur Programmgestaltung: Neben Klassikern der Musikgeschichte fand die Aufführung eines Werkes einer zeitgenössischen Komponistin ihren Platz – und wurde zum eigentlichen Ereignis des Abends. Man kann den Verantwortlichen nur danken, dass sie der Gegenwartsmusik Raum geben. Dass sie dabei auf eine kongeniale Solistin wie Lorenza Borrani zählen konnten und auf ein Publikum, das sich neugierig darauf einließ, machte diesen Abend zu einem eindrucksvollen Start in die Saison.