Der Lieferdienst für Sinnstiftendes klappt
Wer in den Nachlockdownphasen, also in der Zeit, in der Kunst und Kultur jeweils wieder live erlebt werden durften, eine Aufführung in Theaterhäusern besuchte, hatte eines feststellen können: das Publikum hielt sich diszipliniert an alle Maßnahmen, um Kontakte zu vermeiden, und das Personal tat alles, um es dabei zu unterstützen. Besonders intensiv war man in den Wiener Einrichtungen darum bemüht. Besucher wurden über mehrere Eingänge ins Haus geleitet, um Warteschlangen zu vermeiden, personalisierte Tickets waren immer Usus, und der Besetzungsplan (Schachbrettmuster, ein leerer Platz zwischen Besuchern, die nicht im gleichen Haushalt leben etc.) war den Auflagen angepasst, das Tragen der FFP2-Masken wurde auch in den Zeiten empfohlen, in denen es nicht verpflichtend war. Kaum jemand nahm sie ab. Das vom Ordnungspersonal geleitete, nur reihenweise gestattete Verlassen des Saales im Burgtheater war etwas gewöhnungsbedürftig und zeitraubend, aber auch das wurde akzeptiert. Sich und andere mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen, ist in Pandemiezeiten ein Akt der Vernunft, der Solidarität und Verantwortung. Hätten das nur mehr Menschen kapiert.
Zuletzt reichte es in Wien nicht mehr, geimpft oder genesen zu sein, ein aktueller PCR-Test war vorzuweisen. Doch am Freitag wurde mit dem Lockdown für alle auch das Aus für Kunst und Kultur verkündet, nur für den Weg zur Arbeit, zur Schule, für etwaige Betreuungspflichten, Arztbesuche, Lebensmitteleinkäufe und zum Schifahren(!) darf der private Wohnraum verlassen werden.
Während man fast versucht ist, etwa der Wiener Staatsoper zu empfehlen, sich ein paar Fuhren Schnee zu besorgen, lässt sich erfreut feststellen, dass dieses Unternehmen sofort reagiert hatte. Schon am ersten Lockdowntag wurde das Streamingangebot reaktiviert. Wer sich immer schon einmal mit dem „Ring des Nibelungen“ beschäftigen wollte, also mit dem Opernvierteiler von Richard Wagner, dessen Inhalt oder Figuren dem Bildungskanon zuzuordnen sind wie etwa Goethes „Faust“, der aber etwas Aufwand verlangt, der hat Gelegenheit, sich die jüngste Inszenierung von insgesamt rund 16 Stunden Oper zu Gemüte zu führen. Danach gibt es Buntes aus dem gesamten Sortiment.
Das Vorarlberger Landestheater hatte im Frühjahr noch Probleme mit dem Streamen. Das Equipment musste besorgt werden und zudem gibt es auch urheberrechtliche Gründe, die die Verbreitung von Literatur auf diesem Weg behindern. Mit Büchners „Lenz“ sollte es ab dem kommenden Wochenende klappen. Aber nicht nur die von der öffentlichen Hand getragenen Institutionen engagieren sich, um bei geschlossenen Türen einem Kultur- und Bildungsauftrag zu entsprechen, einzelne Künstler, Musiker und die Teams in den Museen arbeiten an digitalen Angeboten. Sie können die Begegnung nicht ersetzen, aber sie lassen die Menschen nicht allein, wissen, wie wichtig es ist, jetzt Sinnstiftendes und Anregendes zu liefern.
„Aber nicht nur die von der öffentlichen Hand getragenen Institutionen engagieren sich, um bei geschlossenen Türen einem Kultur- und Bildungsauftrag zu entsprechen, einzelne Künstler, Musiker und die Teams in den Museen arbeiten an digitalen Angeboten.“
Christa Dietrich
christa.dietrich@vn.at
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