Verführerische Bildwelten

Werke des Malers Ludovic Thiriez bieten in der Galerie Sechzig märchenhafte Zufluchtsorte.
FELDKIRCH Mit dem Gedanken, „etwas Leichtes und Schönes“ zu zeigen, planten Leonie Hirn und Calvin Mechora, die die Galerie Sechzig seit 2019 gemeinsam kuratieren, die aktuelle Ausstellung. Dass die Sehnsucht nach Leichtigkeit, nach Geschichten und nach fantastischen Zufluchtsorten in diesen Tagen wohl größer denn je ist, konnten sie damals nicht ahnen. Gerne wäre man auch bereit, an Märchen zu glauben oder sich zumindest für eine Zeitlang in märchenhafte Welten entführen zu lassen. Einer, der dies in seinen Bildern leichtfüßig bewerkstelligt, ist der französischstämmige, in Budapest lebende und arbeitende Maler Ludovic Thiriez. In seinen Bildern liegt alles bereit, um sich weit fort zu träumen: exotische, fast surreale Szenerien, ursprungshaft und doch in der Gegenwart verankert, in denen Mensch, Tier und Natur eins zu sein scheinen. Der 1984 in Paris geborene Künstler zeigt unter dem Titel „Once Upon a Time“ einen Werkausschnitt der letzten Jahre.
Der vertraute Märchenbeginn „Es war einmal . . .“ weckt inmitten der Ernsthaftigkeit unseres Erwachsenendaseins noch immer Kindheitserinnerungen und genau darauf hat es Ludovic Thiriez abgesehen. Immer wieder setzt er sich in seinem Werk, das neben dem Schwerpunkt Malerei seit 2016 auch Objekte und Installationen beinhaltet, mit dieser frühen, prägenden Phase auseinander und legt deren Symbole, etwa Kuscheltiere, wie eine Fährte in seinen Gemälden aus. Aber auch Versatzstücke aus dem Jetzt, wie ein Bitcoin-Zeichen auf einer Schildmütze scheinen auf. Zum gängigen Vokabular zählen auch Tiere wie ein Flusspferd, ein wolfartiger Hund oder farbenprächtige Papageien und Flamingos. Wie im Märchen üblich, kann man sich auch bei den Figuren von Thiriez vorstellen, dass die Tiere sprechend und handelnd wie Menschen auftreten, Eigenschaften wie gut und böse symbolisieren und häufig verzauberte Personen sind.
Während eines Aufenthalts in Brasilien hat der Maler die Magie der Natur neu für sich entdeckt und tropische Gewächse, Blumen und Bäume haben Einzug in seine Bilder gehalten, wo sie sich den Bildraum harmonisch mit heimischen Pflanzen teilen.
Erzählerisch, aber nicht plakativ
Ähnlich pluralistisch wie der Künstler seine Arbeiten aus unterschiedlichen Bildelementen collagiert und fast organisch zusammenwachsen lässt, fühlt er sich auch in der Malerei frei. Detailliert-Figuratives trifft auf Ornamental-Florales trifft auf Abstrakt-Spontanes. Die musterartigen Strukturen, die die Mischtechniken beleben, haben ihren Ursprung im textilen Handwerk, genauer in den traditionellen Stickereien seiner Wahlheimat Ungarn, aber auch die alten Meister und antike Gemälde lassen in der Herleitung andere Motive grüßen.
Zugunsten einer wild wuchernden Kulisse, die häufig Szenen am Wasser zeigt, sind Spuren, die der Mensch in Form von Architektur und Technik hinterlassen hat, weitestgehend aus den Gemälden getilgt. Die Idylle, die heile Welt, die der Künstler schafft, wird nur selten gebrochen oder in Frage gestellt, wirkt aber dennoch nie naiv oder plakativ. Ludovic Thiriez hat keine Angst vor Farbe und seine stark symbolisch aufgeladenen Kompositionen leben vom erzählerischen Moment. Jedes Gemälde erzählt nicht nur eine, sondern ganz viele Geschichten immer wieder neu. Thiriez versteht sich auf die Kunst, sich dabei doch immer noch so etwas wie das letzte Geheimnis zu bewahren, was das Flanieren zwischen seinen Bildern ungemein spannend macht.


Die Ausstellung „Once Upon a Time“ ist in der Galerie Sechzig, Ardetzenbergstraße 60, in Feldkirch, bis 2. April geöffnet, Do und Fr, 16 bis 19 Uhr, Sa, 12 bis 16 Uhr.