Schon wieder ist Ostern
Kaum ist bei uns Ostern gefeiert, beginnen sie in Griechenland mit der megáli evdomáda, der großen Woche, wie die Griechen die Karwoche nennen. Und jeder Tag in dieser Woche ist der große, der große Montag, der große Dienstag und so weiter, bis dann am Sonntag páscha, also Ostern ist. Die Orthodoxen bestimmen Ostern gleich wie wir, nämlich mit dem ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Allerdings: Die orthodoxe Kirche hält sich – entgegen den staatlichen Institutionen – immer noch an den julianischen Kalender (von Julius Caesar im Jahr 45 vor Christus eingeführt), der inzwischen um dreizehn Tage dem sonst fast überall geltenden gregorianischen Kalender (1582 von Papst Gregor XIII. bestimmt) nachhinkt. Dadurch kommt es oft zu unterschiedlichen Daten für Ostern, die in Griechenland heuer eben erst an diesem Wochenende gefeiert werden.
Heute Abend, am megálo sábbato, am großen Samstag, werden sie am Festland und auf den Inseln in alle Kirchen, in die großen und die ganz kleinen, strömen, und dabei wird sich die Einwohnerzahl des Landes um die Hälfte erhöhen. Denn jeder Auslandsgrieche kommt, so möglich, an Ostern nach Hause in seine Stadt oder in sein Dorf. Und viele Gäste kommen. 1841 kam auch der dänische Dichter und Meister des Märchens, Hans Christian Andersen, um das Fest in Griechenland zu feiern. Andersen schreibt: „Um Mitternacht vor dem Ostertage waren alle hier, die Priester standen betend und trauernd um den mit Blumen angefüllten Sarg; das ganze Volk betete leise. Es schlug zwölf Uhr und mit dem letzten Schlage trat der Bischof hervor und verkündete: Christus ist erstanden! Christós anésti!, jubelte jede Zunge; und alle antworteten: Alithós anésti! Er ist wahrhaft auferstanden! Pauken und Trompeten erschallten, die Musik spielte den muntersten Tanz. Alle umarmten und küssten sich jubelnd: Christus ist erstanden! Draußen donnerte Schuss auf Schuss, Raketen stiegen empor, Fackeln wurden angezündet; Männer und junge Burschen, jeder mit seinem Licht in der Hand, tanzten in einer langen Reihe durch die Stadt; die Frauen machten Feuer an, schlachteten Lämmer und brieten sie auf der Straße; kleine Kinder tanzten im Hemde um das Feuer, küssten sich und sagten wie die Eltern: Christus ist erstanden! O hätte ich eins dieser Kinder an mein Herz drücken und mit ihm jubeln können: Christós anésti! Es war rührend, erhebend und schön!“
Viel hat sich seit damals an Ostern in Griechenland nicht geändert. Die Rituale sind dieselben geblieben, und immer noch feiern sie alle diese Tage. Ich sag es mit Hans Christian Andersen: Gerne wäre ich heute dort und würde mit den Griechen beten, singen, tanzen und feiern.
„Viel hat sich seit damals an Ostern in Griechenland nicht geändert. Die Rituale sind dieselben geblieben, und immer noch feiern sie alle diese Tage.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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