So lässt Yilmaz Dziewior die deutsche Geschichte in Venedig freilegen

Künstlerin Maria Eichhorn macht in Venedig weit mehr als die Geschichte des deutschen Pavillons erfahrbar.
Venedig Die Architektur war schon Thema als Yilmaz Dziewior, einst Direktor des Kunsthaus Bregenz und nun Leiter des Museums Ludwig in Köln, den österreichischen Pavillon bei der Biennale in Venedig als Kurator verantwortete. Im Jahr 2015 nominierte er Heimo Zobernig, der den Hoffmann-Bau in eine schwarzweiße Skulptur transformierte, die zugleich zum leeren bzw. einladenden Podium wurde, das sich ein paar Monate später in Bregenz und schließlich auch in Köln fortsetzte. Österreich war zwar von Anfang an auf der 1895 gegründeten Kunstbiennale vertreten, errichtete aber erst 1934 einen eigenen Pavillon. Die Geschichte des deutschen Pavillon, zu dessen Kurator Yilmaz Dziewior ernannt wurde, begann 1909 mit einem antik anmutenden Bau, der in den ersten Jahren Bayern zugeordnet war bevor er zum Padiglione Germania wurde, den die Nazis in für die Zeit typischer Protzarchitektur erweiterten und aufstockten. Seitdem beziehen jene Künstlerinnen und Künstler, die Deutschland bei der weltweit bedeutendsten Kunstausstellung vertreten, ihre Arbeit immer wieder auf den Ort, der die Ästhetik des Faschismus widerspiegelt. Hans Haacke ließ den Boden zertrümmern, Gregor Schneider das Publikum durchkriechen.

Maria Eichhorn, geboren 1962 in Bamberg, die Dziewior für den für 2021 geplanten und nun wegen der Pandemie auf heuer verschobenen Auftritt in Venedig engagierte, stellt ebenfalls die Geschichte des Bauwerks und die damit verbundene Politik in den Fokus.

Sie legt die Schichten unter dem Boden und in den Wänden und damit die Geschichte dieses Gebäudes frei. Überlegt wurden aber auch weitere Möglichkeiten des Umgangs, in deren Rahmen Deutschland überhaupt aus der Bildfläche dieser Länderauftritte in den Giardini von Venedig verschwunden wäre. So erzählte Dziewior bei der Eröffnung am Freitagmittag von Plänen, das gesamte Gebäude in Teilen abzubauen und zwischenzulagern bzw. es im Ganzen zu versetzen. Was aufwendig klingt, taucht in der Geschichte prägnanter Bauwerke in verschiedenen Städten immer wieder auf.

Eichhorn geht es um die Frage, wie wir heute mit der Geschichte umgehen und sie findet zu einer stringenten Lösung, die dem Werk der renommierten Konzeptkünstlerin entspricht. Zur Freilegung der Geschichte des Gebäudes, hinter dessen weißen Wänden hundert Jahre alte Ziegel oder der später angebrachte Beton sichtbar werden, zählen auch Führungen, die an Orte der Deportation der jüdischen Bevölkerung sowie an jene des antifaschistischen Widerstands erinnern.

Bei der letzten documenta in Kassel im Jahr 2017, zu der Maria Eichhorn eingeladen war, forderte die Künstlerin das Publikum auf, ihr Raubkunst oder aus jüdischem Besitz enteignete Stücke zu melden. In Bregenz, wo sie Yilmaz Dziewior im Jahr 2014 ins Kunsthaus lud, errichtete sie unter anderem ein Podium, auf dem Umweltaktivistinnen und -aktivisten auftraten.
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Die Biennale in Venedig läuft vom 23. April bis 27. November.