Wahrer Kultursommer

VN-Kommentar von Walter Fink.
Gut hat es der Wettergott mit den Bregenzer Festspielen bisher nicht gemeint. Absagen, Abbrüche, und wenn am See gespielt werden konnte, dann waren es nicht laue Sommerabende, sondern kühle Herbststunden, die die Besucher mit bangen Blicken zum wolkenverhangenen Himmel durchstanden. Aber es gibt ja nicht nur die Festspiele, es gibt auch den ausgerufenen Kultursommer. Und der ist tatsächlich nicht nur einen, sondern mehrere Besuche wert.
Beginnen wir im Künstlerhaus, das Carmen Pfanner mit ihren Arbeiten, die mit Qualität des Handwerks ebenso zu tun haben wie mit außergewöhnlicher Kunst, vom Keller bis ins Dachgeschoß im wahren Sinn des Wortes ausfüllt. Schon die ungewöhnliche Eröffnung ließ ahnen, dass der Künstlerin ebenso wie der Kuratorin Judith Reichart etwas gelungen ist, das diesem Haus adäquat ist. „Regnis Singer“ ist der Titel, der auf die legendäre Singer-Nähmaschine verweist, mit der Carmen Pfanner ihre Kunst näht – und man glaubt gar nicht, wie man mit einer kleinen Maschine solche Kunstwerke fertigen kann. Und sie widerlegt damit das Zitat, dass der Mensch durch KI ersetzt werden und „es ihm nicht mehr möglich sein wird, einen Faden einzufädeln“. Unbedingt besuchen, viel Zeit für die Details einplanen!
Genäht wurde auch im Haus am See. Das Kunsthaus zeigt großflächige Näharbeiten der Künstlerin Małgorzata Mirga-Tas, die vor wenigen Jahren mit dem polnischen Pavillon auf der Biennale Venedig Aufsehen erregt hatte. Es sind einfache, alltägliche Geschichten der Roma, die inzwischen aus dem Leben der Menschen weitgehend verschwunden sind. Zwischen diesen genähten Riesengemälden stehen Figuren, die die Künstlerin aus Asche und Wachs fertigt. Wunderbare Skulpturen.
Am vorarlberg museum „klebt“ an der Außenwand in schwindelnder Höhe ein Portaledge, wie es Extremkletterer für die Übernachtung in der Felswand nutzen. Das Künstlerduo Bildstein/Glatz hat zudem im Foyer des Hauses eine „bewohnbare“ Plattform in 18 Metern Höhe eingerichtet, die auf blauen Baumstämmen ruht. Man möge nicht versäumen, in das oberste Stockwerk zu gehen, um das wahrzunehmen. Ganz in der Nähe, im Magazin 4, finden sich „Schüttbilder“ des 2022 verstorbenen Aktionisten Hermann Nitsch. Den Hauptteil der Ausstellung allerdings bilden Filme, nicht zuletzt zum Teatrum Anatomicum, das Paul Renner im Jahr 2007 vor dem Kunsthaus Bregenz errichtet hatte und bei dem auch Nitsch mit einer Aktion zu Gast war. Über den Parkplatz geht es zur Galerie Lisi Hämmerle, in der einem Patrícia J. Reis und Ruth Schnell Drohnen und Bomben um die Ohren fliegen lassen. Künstliche Intelligenz in sensiblen Bereichen wie autonomen Waffensystemen wird untersucht, und auch hier wird gestickt: „Bestickte Datenvisualisierungen“, gefertigt wie auf einem alten Tischtuch, machen Zusammenhänge von schrecklichen Dimensionen deutlich.
Verwiesen sei auch auf die „Sommerschau“ der Galerie Maximilian Hutz im ehemaligen ArtHouse, die Arbeiten etwa von Herbert Albrecht, Lois Anvidalfarei, Gottfried Bechtold oder Karl-Heinz Stöhle zeigt. Und schräg gegenüber, in der früheren Hypo im GWL, bringt Gregor Koller unter anderem Unbekanntes von Walter Khüny oder großformatige ebenso wie großartige Arbeiten von Richard Bösch oder Manfred Egender.
Ein wahrer Kultursommer!