Täglich eine Kanne Wein
Es ist wieder die Zeit, in der man gerne an den oder auch um den Bodensee fährt. Und damit ist es auch wieder die Zeit, in der man gerne am Ufer oder auch auf dem Wasser ein Glas besonderen Bodenseewein trinkt, einen aus Württemberg oder einen aus Baden, denn das sind die bevorzugten Regionen. Heute wird das ja kaum mehr unterschieden, denn die gesamte Region ist zum Bundesland Baden-Württemberg zusammengeschlossen. Im Kopf der Bewohner aber gibt es noch immer die klare Unterscheidung – auch am Bodensee. Ein kleiner Teil des Sees gehört aber auch zu Bayern, nämlich Lindau und Wasserburg, doch dann beginnt Württemberg mit dem Hauptort Friedrichshafen, bis dann die großen Weingebiete um Hagnau und Meersburg, Überlingen und Konstanz auf badischem Gebiet liegen. Der Hauptort von Baden ist aber weit entfernt: Karlsruhe, etwas näher liegt mit Stuttgart die württembergische Hauptstadt, heute auch Zentrum von Baden-Württemberg.
Die Zusammenlegung der beiden Länder zu einem Bundesland ging natürlich nicht so einfach über die Bühne, viele Eigenheiten hält man bis heute aufrecht. So sind die Schwaben etwa stolz auf ihre Dichter und Denker, wenn sie sagen: „Der Schelling und der Hegel, der Schiller und der Hauff, das ist bei uns die Regel, das fällt hier gar nicht auf.“ Und trotz ihrer großen Sprachkünstler sagen sie von sich selbst: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ Etwas können sie in jedem Fall – ob Dichter oder nicht: Wein trinken. Im Buch „Württembergische Weingeschichten“ (Verlag Klöpfer und Meyer) schreiben die Herausgeber Wolfgang Alber und Andreas Vogt auf die Dichter bezogen: „Sie verzapfen jede Menge Weinliteratur, an der sie sich dann selbst berauschen.“ Allerdings berauschten sie sich nicht nur an der Literatur, sondern auch ganz real. Am Tübinger Stift etwa bekamen die Magister täglich eine Kanne Wein ausgeschenkt – das waren etwa 1,3 Liter. Täglich!
Schon Friedrich Schiller, dessen Mutter Weinberge besaß, meinte, dass er „lieber Wein als Wasser“ trinke, in seiner Stuttgarter Zeit ab 1775 soll er sich bisweilen „betrunken auf Wirtshaustischen gewälzt haben“. Sein Denkerkollege Hegel soll täglich drei Liter Wein zu sich genommen haben, Justinus Kerner, Arzt und Schriftsteller, begnügte sich mit nur zweieinhalb Liter. Thaddäus Troll schließlich, bekanntester schwäbischer Mundartdichter, hatte nach eigenen Angaben etwa einen Verbrauch von einem Viertel pro geschriebener Seite. Und er schrieb viel. Bei so vielen Vorbildern: Was soll uns heute hindern, auf unseren Fahrten guten Bodenseewein zu trinken. Manchmal auch in gröberen Mengen.
„Bei so vielen Vorbildern: Was soll uns heute hindern, auf unseren Fahrten guten Bodenseewein zu trinken. Manchmal auch in gröberen Mengen.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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