Angstfrei als Erfolgskonzept

Das international renommierte Kunsthaus Bregenz ist mit einem Namen verbunden: Rudolf Sagmeister
Schwarzach Die Kombination von betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, Kreativität und kunsthistorischem Wissen hat sich allemal als günstig erwiesen. Wenn Rudolf Sagmeister, der bekannte Vorarlberger Kunsthistoriker, von seiner kuratorischen Tätigkeit im 1997 eröffneten Kunsthaus Bregenz spricht, dann wird rasch klar, dass hier ein Feingeist mit Bodenhaftung erstens Künstlerinnen und Künstler mit jenen Menschen, nämlich Handwerken, zusammenbrachte, die ihre Ideen verwirklichen halfen und der zweitens maßgeblich dafür sorgte, dass die Kunst überhaupt rezipiert wurde, das heißt, Betrachterinnen und Betrachter fand.

Es war nämlich nicht so, dass die Menschen gleich Schlange standen, als der mittlerweile in aller Welt gerühmte Bau nach Plänen von Peter Zumthor vor 25 Jahren eröffnet wurde. Für den ersten Direktor Edelbert Köb und seinen Kurator Sagmeister war klar, dass es neben einem ambitionierten Programm und hervorragenden Publikationen sofort eine qualitätsvolle Museumspädagogik braucht und vielleicht auch einige Tricks. Sagmeister forcierte unter anderem Kinderprogramme, die dazu führten, dass die begeisterten Kleinen auch die wenig kunstaffinen Eltern mitzogen, die dann merkten, dass ihnen das KUB verwertbare Erfahrungen bietet. Als “in der Gesellschaft und in der Kunstszene erstklassig vernetzten Einheimischen, als renommierten Wacker- und Kalb-Experten” und als “ein positives Signal für die alemannischen Patrioten”, bezeichnet ihn Edelbert Köb in dem nun fertiggestellten, 380 Seiten umfassenden Buch mit zahlreichen Abbildungen, das nur noch veröffentlicht werden muss.
Zu sehen sind übrigens auch jene Aufnahmen, die entstanden sind nachdem Sagmeister – bevor die Idee auch von anderen Kunstinstitutionen aufgegriffen wurde – beispielsweise Tänzerinnen und Tänzer einlud, die sich von Exponaten inspirieren ließen und dem passionierten Fotografen wunderbare Motive boten.
Eine Innensicht
Es bietet somit eine Innensicht, dokumentiert, dass die wirklich großen Künstlerinnen und Künstler alles andere wollen als sich mit Speichelleckern zu umgeben und dass sich die Erfolgsgeschichte des KUB, das sich in wenigen Jahren in die oberste Kategorie der internationalen Kunsthäuser katapultierte, nicht so darstellen könnte, wenn es nicht gelungen wäre, neben Sponsoren auch Handwerker und Gewerbetreibende einzufangen, die begeistert werden konnten und mit denen man stets auf Augenhöhe kommunizierte. Sie haben vieles ermöglicht, was angesichts des vergleichsweise kleinen Budgets geradezu kurios wirkt. Man denke nur an eigens erstellte Arbeiten von Rosemarie Trockel oder Carsten Höller.

“Wir waren angstfrei”, erklärt Sagmeister im Gespräch auf die Frage, wie man in dem in den 1990er-Jahren noch sehr konservativen Klima im Land eine solche Institution durchsetzen konnte. Die Konsequenz von Edelbert Köb und die offene Haltung des damaligen Kultur- und Finanzlandesrat Guntram Lins waren wohl ausschlaggebend. Dazu kam, wie er an Beispielen erläutert, eine gute Jonglierfähigkeit mit hohen Summen, die den weiteren Direktoren, nämlich Eckhard Schneider und Yilmaz Dziewior ebenfalls gegeben war. Erstmals offenbart Sagmeister auch was ihn geprägt hat, nämlich eine jüdische Großmutter, ein feinsinniger Vater und eine Mutter, die sich wie ein Fels in der Brandung um die familieneigene Konservenfabrik kümmerte.
Den Menschen etwas bieten, lautet sein oberstes Prinzip. Das galt auch in Zeiten als Rudolf Sagmeister vor der KUB-Eröffnung eine große Ausstellung mit Arbeiten des Künstlers Rudolf Wacker kuratierte und dabei durchsetzte, dass es nur Sinn gibt, wenn der früh verstorbene Bregenzer in Verbindung mit Zeitgenossen wie Oskar Kokoschka präsentiert wird.

Künstler und Künstlerinnen wollen nicht nur ihre Meinung bestätigt wissen und sie brauchen auch keine Speichellecker.
Rudolf Sagmeister, Kunsthistoriker, Kurator

