Aufbegehren gegen die Fremdbestimmung

Kultur / 17.06.2022 • 17:40 Uhr

Schundheft 41 bietet Wiederbegegnung mit Vorarlberger Autorin.

Erzählungen Man merkt es den Texten an, dass Jutta Rinner-Blum psychologisch geschult ist, therapeutische Kenntnisse besitzt, und dennoch wird Literatur hier nicht platt zur Therapie. Vor vielen Jahren tauchte der Name der Vorarlberger Autorin, Linguistin und Gestaltpsychotherapeutin auf der Liste der Ausgezeichneten beim Harder Literaturpreis auf, später erschien mit „Grenzland“ ein Gedichtband und unter dem Titel „in tausend splittern meine himmel“ eine Lyriksammlung.

Mit „Bruchlinien“ ist die Sammlung von einzelnen Erzählungen von Jutta Rinner-Blum (geb. 1957) übertitelt, die nun in der „Schundheft“-Reihe der unartproduktion erschienen ist. Der hohe Wert dieser Ausgaben wurde schon in den ersten Jahren, nämlich 2014 und 2015 ersichtlich, in denen der Vorarlberger Künstler, Musiker und Kulturvermittler Ulrich Gabriel sein Konzept realisierte und nach den jeweils einer Gemeinde oder einer Region gewidmeten Lesebüchern mit verschiedenen Beiträgen handliche Hefte mit Text- und Bildbeiträgen publizierte. Der Fokus war dabei auf ein Thema bzw. das Werk einer Autorin oder eines Autors gerichtet.

Nun liegt das 41. Schundheft auf. Jutta Rinner-Blum hat Erzählungen zusammengefasst, die sich allesamt als ein Aufbegehren gegen die Fremdbestimmung lesen. Die Hauptfiguren, Frauen verschiedenen Alters, sind Repressionen ausgesetzt, die abgesehen von einigen besonders tragischen Beispielen, von der Gesellschaft vielfach nicht als solche wahrgenommen werden. Nur hie und da findet sich ein Mitmensch mit einigermaßen ausgeprägter Empathie, vielen schauen weg, und mitunter werden auch Gewalt oder sexuelle Übergriffe als etwas gewertet, gegen das man nicht ankommen kann. Besser nichts sagen, damit nicht zu viel an die Öffentlichkeit dringt und die Tochter muss es eben aushalten, lautet die Devise von Fatmas Mutter.

Immer noch so schlimm?

Solche Schicksale wie jenes von Fatma, der man wünscht, dass sie sich einmal als Schriftstellerin durchsetzen kann, glaubt man überwunden. Ist das nicht ein Text aus den 1970er-Jahren, in denen Frauen begannen, ihre Rechte mit einigem Erfolg zu formulieren? Offenbar nicht. Wenn Jutta Rinner-Blum von einer Frau erzählt, die sich erst nach und nach von einem besitzergreifenden Partner löst, geschieht das mit einem mitfühlenden, nie wertenden Blick, der Wirkung zeigt. Man legt dieses Heft vor der letzten Erzählung nicht weg und nimmt es immer wieder zur Hand. VN-cd