Von der Bedeutung der Freundschaft

Begeisternder „Wutschweiger“ am Vorarlberger Landestheater.
Bregenz Ich habe geweint, gelacht und die Fäuste geballt. Das Jugendtheaterstück „Der Wutschweiger“ entpuppte sich als eine 60 Minuten andauernde Achterbahnfahrt wechselnder Gefühle und starker Emotionen. Das Werk des belgischen Autorenduos Jan Sobrie und Raven Ruëll wurde in der Box des Landestheaters in Bregenz vom Publikum euphorisch bejubelt.
Dass das Stück für Kinder und Jugendliche ab zehn unter die Haut geht, ist kaum verwunderlich, erzählt es doch von sehr aktuellen Themen wie wachsender Armut und wie diese und der damit einhergehende soziale Abstieg das Leben von Kindern beeinflusst und verändert. Der Text präsentiert sich witzig und traurig zugleich, kommt unprätentiös in kurzen Sätzen, trifft Probleme punktgenau und ist dennoch voll magischer Momente.
Ebenso gestaltet sich die Inszenierung von Danielle Fend-Strahm, die die Geschichte mit unheimlich viel Gefühl und Liebe erzählt, mit großer Empathie und Leidenschaft. Es ist die Geschichte des Jungen Ebeneser, der nach Kündigung seines Vaters mit seinen Eltern aus ihrer schönen großen Wohnung in eine kleine Wohnung und eine eher heruntergekommene Gegend umziehen muss. Und die Geschichte von Sammy, dem starken und trotzigen Mädchen, dessen Mutter gestorben und dessen Vater schon seit Jahren arbeitslos ist. Fend-Strahm folgt dem Bogen der Erzählung sehr genau, setzt Kipppunkte exakt dort, wo es sie braucht – dort, wo die Traurigkeit fast unerträglich wird und dann wieder in dem Moment, bevor die Heiterkeit zu hohe Wellen schlägt. Wie auf einer Achterbahn der Gefühle steuert die Regisseurin durch das Stück, fesselt, nimmt mit und erreicht allergrößte Anteilnahme.
Maria Lisa Huber und Sebastian Schulze machen als Sammy und Ebeneser einen großartigen Job. Schweißtreibend jagen sie durch den Raum, setzen alle Emotionen frei, sind absolut authentisch, lebendig und wunderbar angekommen in der magischen Welt der Kinder. Schmerzhaft überzeugend entschleiern sie die verletzlichen, traurigen und wütenden Seelen der beiden Jugendlichen. Sie zeigen eindrücklich, wie grausam Ausgrenzung und Einsamkeit wirken, sowie die riesengroße Bedeutung von Freundschaft und Solidarität. Genau das ist es, was Ebeneser und Sammy verbindet und sie so unglaublich stark macht.
Einfühlsamer Begleittext
Matthias Strahm hat ein ebenso einfaches wie funktionales Bühnenbild entworfen und Kostüme, die im ersten Moment durch ihre schreiende Vordergründigkeit irritieren, dann jedoch wie von Zauberhand mit der Geschichte verschmelzen. Florian Wagners Musik unterstützt, vertieft, tut wohl und nimmt mit.
Eine rundum gut gelungene Produktion, eine Produktion, die man den Schulen nur ans Herz legen kann. Die Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler werden mit der Geschichte und den aufgewühlten Emotionen nicht alleine gelassen. Es gibt einerseits einen sehr einfühlsamen Begleittext darüber, was Grundbedürfnisse für uns Menschen sind und bedeuten, über die Dringlichkeit, Gespräche zu führen und sich Hilfe zu holen, sowie eine Auflistung aller Beratungsstellen in Vorarlberg. Zusätzlich bietet das Team nach der Vorstellung ein gemeinsames Gespräch zum Thema an. Dieses Stück ist wieder einmal ein wunderbares Beispiel dafür, dass gut gemachtes und gut durchdachtes Theater Probleme ansprechen kann und muss, dass es zum Nachdenken anregt und Dinge ins Rollen zu bringen vermag.

Weitere Aufführungen von “Wutschweiger” ab 20. Juni jeweils vormittags in der Box am Bregenzer Kornmarkt: landestheater.org