Musiktipps. Von Fritz Jurmann

Kultur / 25.07.2022 • 18:26 Uhr

KÜNSTLER Pittsburgh Symphony Orchestra

ALBUM Beethoven „Pastorale“, Stucky „Silent Spring”

PRODUKTION Reference Recordings

Die Natur bildet in diesem Album die große, alles verbindende Klammer zwischen den beiden Werken, deren Entstehung 200 Jahre auseinanderliegt. In dieser 13. Einspielung der Pittsburgh-Live!-Serie auf höchstem technischen Level ist dem feinsinnigen Vorarlberger Dirigenten Manfred Honeck mit seinem amerikanischen Top-Orchester, dem er bereits seit 2008 vorsteht, sogar eine stark emotional-geistige Verbindung gelungen zwischen Beethovens unerreichter 6. Symphonie, der „Pastorale“, und dem Auftragswerk „Silent Spring“ an den Zeitgenossen Steven Stucky. Als tief religiöser Mensch findet Honeck Parallelen im Schöpfungsgedanken, in der Schönheit, Ruhe und Vitalität, die er den naturalistischen Bildern beider Werke ablauscht und mit kräftigem Pinsel in Dynamik und Tempo nachzeichnet. Der Tanz der Landleute, das Gewitter, der Dankgesang sind in dieser „Pastorale“ an Spannung und Orchesterbrillanz nicht zu toppen.

KÜNSTLER Wiener Philharmoniker

ALBUM Sommernachtskonzert 2022

PRODUKTION SONY Classical

Die Wiener Philharmoniker haben mit diesem Konzert das einzig Richtige getan, um auf die weltpolitische Lage angemessen zu reagieren: nämlich mit Kunst, mit Musik, die etwa im umkämpften Kriegsgebiet entstanden ist. Die melancholische c-Moll-Walzermelodie „Abschied“ des ukrainischen Komponisten Mykola Lysenko, die das Weltklasse-Orchester in den lauen Schönbrunner Sommerabend setzt, geht als Botschaft für den Frieden unter die Haut. Und es liegt auch über dem weiteren Programm, anspruchsvoll und exzellent gespielt, so etwas wie ein Schleier leiser Wehmut. Selbst der lettische Dirigent Andris Nelson und der französische Cellist Gautier Capucon legen ihre Debüts zurückhaltend an, auch das Publikum ist nicht so fröhlich wie sonst. Im Team diesmal zwei bekannte Vorarlberger: Rainer Honeck wie gewohnt als Konzertmeister, an der zweiten Klarinette erstmals Alex Ladstätter, künftiger Neo-Philharmoniker aus dem Ländle.

KÜNSTLER Ian Bostridge, Tenor

ALBUM Tormento d‘amore

PRODUKTION WARNER CLASSICS

Der englische Tenor Ian Bostridge hat im Liedgesang unter den Großen dieser Welt bei der Schubertiade längst Geschichte geschrieben. Jeder seiner rekordverdächtigen 65 Liederabende seit 1999 bei diesem Festival hatte das Besondere, das Einzigartige, das seine Liedkunst auszeichnet und so kostbar macht.

Für heuer hat Bostridge bereits im Juni sein Pensum an Schubert in Schwarzenberg abgeliefert, im August nächsten Jahres folgt eine neue „Winterreise“. Dazwischen ist Zeit, einen Blick zu werfen auf das Repertoire, das dieser Tenor pflegt, wenn er einmal nicht Schubert und seinesgleichen singt. „Tormento d’amore“ („Qual der Liebe“) sind virtuose Arien aus frühen Barockopern im Italien des 17. und 18. Jahrhunderts, die Bostridge mit seiner hellen, schlanken Stimme ebenso geläufig aus der Kehle kommen wie das romantische Lied. Die Cappella Neapolitana unter Antonio Florio liefert dazu den stimmigen Originalklang.

KÜNSTLER Ensemble phil Blech Wien, Olivier Latry

ALBUM Live from Vienna

PRODUKTION Deutsche Grammophon

So etwas war bislang klanglich kaum vorstellbar: 17 Blechbläser der Wiener Philharmoniker, „phil Blech“ genannt, vereinen sich mit den über 6000 Pfeifen der Rieger-Orgel im Wiener Musikverein zu einer Klangwolke ungeahnten Ausmaßes. Den Organisten dazu hat man sich aus Paris geholt, Olivier Latry, Titularorganist der abgebrannten Kathedrale Notre Dame. Über ein Jahr lang wurde mit ausgeklügelten Arrangements an einem Sound getüftelt, der die beiden Klangerzeuger nicht bloß einander gegenüberstellen sollte, sondern sie möglichst intensiv miteinander verbinden. Der Live-Mitschnitt mit Werken von Bach bis Bruckner zeigt, wie überzeugend das gelungen ist. Und als gelernter Vorarlberger wird man daran erinnert, dass die international renommierte Schwarzacher Orgelbaufirma neben ihrem spektakulären jüngsten Instrument im Dom St. Stephan auch schon seit 2011 eine ähnliche Riesenorgel im Wiener Musikverein stehen hat.