Thriller um ein neu gekauftes Leben

Kultur / 05.08.2022 • 17:16 Uhr
Das gekaufte LebenTobias Sommer, dtv, 336 Seiten

Das gekaufte Leben

Tobias Sommer, dtv, 336 Seiten

Spannender Psychothriller: Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Psychothriller Clemens Freitag ist das, was man eine gescheiterte Existenz nennt. Kein Job, jede Menge Schulden, kaum Freunde und ständig ein schlechtes Gewissen gegenüber seinen tödlich verunglückten Eltern. Doch dann entdeckt er auf Ebay ein seltsames Angebot. Verkauft wird ein komplettes Leben mit allem Drum und Dran, also Haus am See, Auto, Ruderboot, Ferienhaus, Kleidung, den Job und den Platz in seiner Stammtischrunde. Freitag wittert die einmalige Chance und investiert sein komplettes Erbe in der Höhe von 250.000,51 Euro.

Nicht ohne Haken

Am nächsten Tag macht er sich auf den Weg in das ostdeutsche Provinzdorf Zaun und rutscht in das fremde Leben wie in ein auf den Leib geschneidertes Jackett. Doch als ob im Innenfutter eine Stecknadel vergessen wurde, spürt er ein ständiges Piksen, das immer heftiger wird. Was steckt hinter den mysteriösen Botschaften am Gartenschuppen, im Briefkasten oder auf dem Anrufbeantworter? Warum schleicht ein Hund auf seinem Grundstück herum und dringt sogar ins Haus? Und wie glaubhaft ist die Geschichte der Stammtischbrüder, die einen abgetrennten Finger an der Angel hatten? Die Idylle um den Waldsee bröckelt und das scheinbar perfekte Leben entpuppt sich als Albtraum. Denn er hat auch die dunkle Seite des Verkäufers übernommen.

Spannend und beklemmend

Tobias Sommer hat mit „Das gekaufte Leben“ einen spannenden, dynamischen Roman entwickelt, dessen ungewöhnliche Handlung von Kapitel zu Kapitel zum beklemmenden Psychothriller wird. Die Sprache bleibt davon unberührt, vielmehr ist es der verborgene Spannungsbogen, mit dem es dem Autor gelingt, den Leser zu fesseln. Freitags Misstrauen gegenüber den Stammtischfreunden, den Nachbarn, aber auch der Dorfgemeinschaft entfaltet seine toxische Wirkung und vergiftet immer mehr die erworbene Anerkennung und das anfänglich unbeschwerte Glück. Ein absolut gelungenes Werk des 1978 geborenen Sommer, der neben anerkannten Preisen und Stipendien 2014 für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert war. Zum Kontrast ist Sommers Brotberuf hingegen nüchtern, trocken und geradezu unemotional. Der Norddeutsche aus Schleswig-Holstein arbeitet nämlich im Finanzamt. CRO