„Folk Music“: Die Welt zu Gast beim SOV

FELDKIRCH Eigentlich hatte er als Chefdirigent des Symphonieorchesters Vorarlberg einen holprigen Start, der Brite Leo McFall (41). Daran sollte man wohl zu Beginn seiner dritten Abo-Saison erinnern, denn durch Corona wurden in der Vergangenheit viele seiner Konzerte oft im letzten Moment abgesagt. Doch jetzt ist Leo McFall endlich angekommen bei seinem Orchester. Schon bei seinen letzten Auftritten, speziell dem umjubelten Festspielkonzert, wirkte er am Pult wie befreit, überlegen und locker.
Nicht minder leidenschaftlich spontan und doch stets kontrolliert ist sein Dirigat am Samstag im vollbesetzten Montforthaus. Ein von ihm gemeinsam mit Sebastian Hazod dramaturgisch glänzend konzipiertes Programm kommt ihm dabei entgegen, bringt schon beim reizvoll verspielten „Concert Romanesc“ von Györgi Ligeti mit vielen schönen Soloeinwürfen und einem „Fernhorn“ Stimmung im Saal. Es geht thematisch um „Folk Music“ – die Welt also zu Gast beim SOV. Politische Einflussnahme auf Künstler, wie wir sie heute im Kontext mit dem Ukraine-Krieg erleben, ereilte 1951 auch dieses mitreißende Stück aus rumänischen Volksmelodien, das seiner westlichen Prägung wegen in Ungarn 20 Jahre verboten blieb.
Vielfalt in Stimme und Ausdruck
Wie Ligeti verbleibt auch der Italiener Luciano Berio weitab von seinem Ruf als Neutöner fast durchwegs im tonalen Bereich. In seinen „Folk Songs“ hat er neun Volksmelodien aus der ganzen Welt seine persönliche, hochexpressive Handschrift verpasst. In der auf sechs Instrumente reduzierten Version bilden sie ein wunderbares Fundament, auf dem die Feldkircher Mezzosopranistin Corinna Scheurle ihre Vielfalt in Stimme und Ausdruck entfalten kann. Im Selbstbewusstsein einer gereiften Bühnenerscheinung trifft sie den Volkston dieses Genres zwischen Liebe und Leid, spielt hemmungslos ihre betörenden Farben zwischen lyrischem Versinken und dramatischer Attacke aus. Betörend ihr gurrend dunkles Register, bewundernswert ihre klare Diktion in allen Sprachen – und das alles auswendig! Die naturhafte Instrumentation bleibt zerbrechlich wie Glas. Das Publikum ist hingerissen.
Schönheit des Melodischen
Sie kann aber auch ganz anders, ein Bühnentalent, das man mit 31 bereits im Ensemble des Staatstheaters Nürnberg findet. In vier Schubertliedern übt sich Corinna Scheurle in kontrollierter Zurücknahme ihrer Mittel, konzentriert ganz auf die Schönheit des Melodischen. Das überzeugt. Dass man für die Begleitung anstelle des originalen Klaviers etwas schwülstig überladene zeitnahe Orchesterfassungen von Liszt, Reger oder Offenbach gewählt hat, liegt in der Natur der Sache, ist aber wohl eine Geschmacksfrage. Dafür kommt Schubert pur in seiner Symphonie Nr. 3 ungetrübt zur Wirkung. Leo McFall und seine Musiker nehmen das Werk des erst 18-Jährigen durchaus ernst und legen die frühe Meisterschaft dieser Gelegenheitsarbeit frei. JU
Nächstes SOV-Konzert: 22./23. Oktober, 19.30/17.00 Uhr, beides Montforthaus Feldkirch