Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Schönheitskönigin als Bundespräsidentin

Kultur / 30.09.2022 • 19:14 Uhr

Eine Geschichte, nachdem gerade Bundespräsidentenwahlen vor der Tür stehen (gefunden in der „Archivale des Monats 2021“, die vom Vorarlberger Landesarchiv herausgegeben werden): Es war im Jahre 1951, Bundespräsidentenwahlen standen an. Sechs Männer kandidierten, darunter nur zwei aussichtsreiche, nämlich Heinrich Gleißner für die ÖVP und Theodor Körner für die SPÖ. Das Ergebnis ist bekannt, Körner gewann und wurde damit erster gewählter Bundespräsident. Kurz vor dieser Wahl veranstaltete der Arlberg-Zeitungsverlag in Bregenz eine Wahl der ganz anderen Art: Die Miss Vorarlberg sollte gekürt werden. Ganz so einfach war das aber nicht, weil die gängigen Moralvorstellungen (zumindest der Politiker) im Land nicht mit den Notwendigkeiten einer solchen Wahl einhergingen. Ein Problem beispielsweise war die Vorführung im Badeanzug (damals übrigens ein durchaus züchtiger Einteiler).

Um das Publikum vor lustvollen Erregungen zu schützen, wurde dieser Durchgang hinter einem Vorhang absolviert, nur der Jury zugänglich gemacht. Verschiedene Kommentatoren fragten sich, ob die Jury solche anzügliche Bekleidung wohl unbeschadet überstanden hätte. Dem Fass den Boden schlug aber der Moderator der Veranstaltung aus, der folgende Scherzfrage stellte: „Was ist der Unterschied zwischen dem Bundespräsidenten und der Miss Vorarlberg? Die Miss Vorarlberg kann wohl noch auf den Bundespräsidentenposten kommen, aber der Bundespräsident niemals Schönheitskönigin werden.“

Da war dann auf gut vorarlbergerisch „genug Heu herunten“. Der Moderator des Abends, der von Radio Vorarlberg übertragen wurde, soll später nach Intervention entlassen worden sein, in der Sitzung der Landesregierung wurde das „Befremden“ über solche Vorgänge ausgesprochen und in einem Schreiben meinte die Regierung zudem, „dass solche Veranstaltungen dem vorarlbergischen Empfinden nicht entsprechen“. Damals glaubte die Vorarlberger Landesregierung in ziemlich vielen Fällen, dass sie dem „vorarlbergischen Empfinden“ nicht entsprechen würden. Und so verbot man viele Filme, darunter die besten, die damals gezeigt wurden, man verbot bestimmte Tänze, etwa den Twist, man verbot dem Landesradio, bestimmte Schlager zu spielen, zum Beispiel „Schuld war nur der Bossa Nova“, denn da fragt die Tochter die Mutter nach ihrem Erzeuger, worauf die Mutter meint: „Schuld war nur der …“.

Es war für die Politiker damals nicht einfach, die Bevölkerung vor „Schmutz und Schund“ zu beschützen, denn die Menschen wollten sich nicht beschützen lassen, sie gingen nach Lindau ins Kino, tanzten auf dem Schiff den Twist und hörten in ausländischen Sendern den „Bossa Nova“. Heute geht das alles leichter – und über die Bundespräsidentenwahl und sogar deren Kandidaten darf man Witze machen, soviel man will. Ist doch ein gewisser Fortschritt.

„Damals glaubte die Vorarlberger Landesregierung in ziemlich vielen Fällen, dass sie dem ,vorarlbergischen Empfinden‘ nicht entsprechen würden.“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.