Über die Philosophie des modernen Songs

Kultur / 11.11.2022 • 16:46 Uhr
Die Philosophie des modernen SongsBob Dylan, aus dem Amerikanischen von Conny Lösch, C.H. Beck, 352 Seiten

Die Philosophie des modernen Songs

Bob Dylan, aus dem Amerikanischen von Conny Lösch, C.H. Beck, 352 Seiten

Bob Dylan hat in seinem neuen Buch 66 Lieder analysiert.

SACHBUCH Nach den „Chronicles“ hat Bob Dylan nun ein neues Buch präsentiert. Es ist kein zweiter Teil seiner Lebenserinnerungen, sondern eine Analyse von 66 Liedern anderer Acts. In „Die Philosophie des modernen Songs“ folgt der Künstler der Spur der populären Musik, beschreibt seine persönlichen Gefühle zu diesen Stücken und liefert spannendes Hintergrundwissen. Eigentlich ist der Stoff keine Überraschung, hat Dylan doch in seiner von 2006 bis 2009 in den USA laufende Radiosendung „Theme Time Radio Hour“ eine Unmenge an bekannten und obskuren Liedern präsentiert und dabei ein erstaunliches Fachwissen bewiesen.

Die Spannbreite der ausgewählten Songs war enorm – wie auch in seinem neuen Buch. Dylan beschäftigt sich mit Kompositionen aus Pop, Country, Punk, Soul und Rock, geht aber bis in die amerikanische Klassik aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Die Reihenfolge ist nicht chronologisch, Kapitel 1 ist „Detroit City“ gewidmet, einer Single von Bobby Bare aus dem Jahr 1963.

Dylan beschreibt zunächst den Inhalt: „In diesem Song bis du der verlorene Sohn. (….) Dein Leben geht in die Binsen. Du bist in die große Stadt gekommen und hast Dinge über dich erfahren, die du nicht wissen wolltest, du warst zu lange auf der dunklen Seite.“ Dann liefert der 81-Jährige den Kontext, erzählt von Detroit und über den Interpreten, erklärt die Bedeutung des Liedes und warum es funktioniert. Nach diesem Schema ist das gesamte Buch aufgebaut. Er bedient sich natürlich seiner eigenen Sprache, daher ist „Die Philosophie des modernen Songs“ mehr als ein Sachbuch, nämlich auch ein literarischer Genuss.

Da heißt es etwa über Elvis Costellos „Pump Me Up“, das von Selbstbefriedigung handelt: „Der Song kommt auf glühenden Kohlen mit anzüglichen Blicken daher, mit himmlischer Propaganda und Verunglimpfung, die man sowieso nicht versteht.“ Dylan-Fans bekommen einen weiteren Einblick in seine Einflüsse – und wo der Künstler seine „Anregungen“ für eigene Songs bekommen hat. Für Nicht-Fans ist es ein Songbook zum Schmökern und Entdecken. Die Analysen sind ebenso sachlich fundiert wie persönlich gehalten, das Panoptikum reicht von „Tutti Frutti“ über „Black Magic Woman“ bis zu „London Calling“.

Der Autor ist in dieser Sammlung von Essays bisweilen philosophisch, dann wieder witzig, manchmal mysteriös oder lakonisch, bei Bedarf direkt. Angereichert ist das Buch mit vielen Fotos, allesamt mit Bedacht ausgewählt. Letztendlich lernt man auch einiges über den großen Songwriter. CRO