Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Geld kommt vor Moral

Kultur / 25.11.2022 • 18:28 Uhr

Schon jetzt höre ich die bösen Zurufe, dass der Schuster bei seinen Leisten und der Fink bei der Kultur bleiben mögen, denn vom Sport verstehe ich bekanntlich nicht allzu viel. Schon gar nicht von Fußball. Trotzdem drängt es mich jetzt einfach einmal, aus dem Schema zu fallen und mich dem Sport zu widmen.

Das heißt: Eigentlich geht es gar nicht um Sport, denn bei diesem Ereignis im Wüstensand von Katar wird über viel, aber wenig über Sport gesprochen. Das ist auch richtig so, denn das Umfeld dieses eigentlich fußballerischen Ereignisses ist so skandalös, dass die sportlichen Betrachtungen zur Randbemerkung verkommen müssen. Für ein paar eingefleischte Anhänger wird schon erstaunlich sein, dass Deutschland oder Argentinien mit all ihren millionenschweren Stars gegen sogenannte „Bloßfüßige“ verlieren.

Viel mehr aber ist aufgefallen, dass etwa die deutschen Nationalspieler beim Gruppenfoto die Hand vor den Mund hielten. Zeichen dafür, dass der deutsche Fußballbund vor der FIFA in die Knie gegangen ist und die Spieler die „One Love“-Binde nicht tragen durften, also nicht das Zeichen für größtmögliche Toleranz am Fußballplatz und auch im Leben. Oder dass die Spieler des Iran beim Abspielen der Hymne das Mitsingen verweigerten – im Mullah-Regime ein Protest, der bei der Rückkehr auch ins Gefängnis und vor den Kadi führen könnte.

Es gäbe noch viele peinliche Details dieser Weltmeisterschaft aufzuzählen – es scheint aber unnötig. Vielmehr muss man sich die Frage stellen, warum es diese Fußball-Weltmeisterschaft überhaupt an diesem Ort gibt.

Schon vor mehr als einem Jahrzehnt, als diese Entscheidung fiel, gab es Bedenken. Aber dann kehrte weitgehend Ruhe ein. Bis kurz vor Beginn der WM. Und da überschlugen sie sich alle mit Kritik am Ausrichter der Weltmeisterschaft, am Termin, an den Menschenrechten in diesem Emirat, das durch riesige Erdgasfunde zu unsagbarem Reichtum gekommen ist. Niemand zweifelt, dass diese Meisterschaft von Katar gekauft wurde – was immerhin voraussetzt, dass die Verantwortlichen in den verschiedenen Fußball-Bünden käuflich sind. Allen voran die FIFA, der Weltfußballverband mit dessen Schweizer Präsident Gianni Infantino, von dem alle überzeugt sind, dass er noch korrupter ist als sein ebenfalls aus der Schweiz kommender Vorgänger Sepp Blatter.

Aber man muss gar nicht lange diskutieren: Die großen Verbände der Welt hätten es in der Hand gehabt, sie hätten sagen können, in einem Land, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, spielen wir nicht. Und der Fall wäre erledigt gewesen. Das Problem ist nur, dass man Katar in der heutigen Krise braucht, um nach dem Ausfall Russlands Erdgas in größeren Mengen zu bekommen. Und in solchen Entscheidungen knickt die Moral eben vor dem Geld ein.

„Schon vor mehr als einem Jahrzehnt, als diese Entscheidung fiel, gab es Bedenken.“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.