Smart import – Valie Export

Die neueste „Tonskulptur“ der Künstlerin Valie Export wird im Kunsthaus Bregenz präsentiert.
BREGENZ „Wir wollen das machen, was wir am besten können, nämlich die Kunst der Gegenwart präsentieren, so Thomas D. Trummer, der Direktor des Kunsthauses Bregenz.
Tatsächlich ist ihm mit Valie Export, einer Ikone der Kunstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, ein Coup gelungen, der sich nicht nur sehen, sondern auch hören lässt. Valie Export muss nicht mehr vorgestellt werden, ihre Performances und ihre vielseitigen künstlerischen Ausdrucksformen haben nicht nur Marina Abramovic, Millie Brown, Milo Moire, Yoko Ono und viele andere beeinflusst und geprägt, sondern alle, die sich je mit künstlerischem Aktionismus und Performance (von Chris Burden bis IPA und Gelatin) beschäftigt haben.
„Semper et ubique, immer und überall“, so lautete ein Originalschriftzug einer damals beliebten Zigarettenmarke in Österreich, den Valie Export benutzte, um ihren Künstlernamen zu transportieren. Im Museum of Modern Art/New York ist das Foto dieser künstlerisch veränderte Zigarettenpackung (Valie Export SMART EXPORT, 1970), eines der ersten Kunstwerke EXPORTS, ausgestellt (diese fotografische Arbeit ziert auch eine österreichische Sondermarke).
15 Orgelpfeifen
Im Erdgeschoß des Kunsthauses hängen 15 Orgelpfeifen in verschiedenen Größen und verschiedenen Durchmessern an Ketten befestigt von der Decke herab. Mit den ausrangierten Pfeifen, die ursprünglich zu der Orgel in der Wallfahrtskirche „Sieben Schmerzen Mariae“ am Pöstlingberg in Linz, dem Geburtsort von Valie Export, gehörten, arrangiert Valie Export eine „Tonskulptur“ – eine Komposition aus Hör- und Sichtbarem. Einige dieser Pfeifen hat Valie Export zu einer Art Stalinorgel, jene gefürchtete Raketenbatterie aus dem Zweiten Weltkrieg, zusammenbauen lassen.
Martialisch, sinister, nahezu gespenstisch und unheildrohend, gestapelt auf einem fragilen zusammengeschweißten Eisengestell, zeigen ihre spitz zulaufenden Pfeifenfüße Richtung Bodensee. Aus sakralen Klangkörpern, die normalerweise in gewohnter Manier Gotteslob und Herrlichkeit intonieren, werden plötzlich furchteinflößende Geschosse, die Tod und Zerstörung bringen.
Und aus acht Lautsprechern, die im Hintergrund platziert sind, man beachte die Zahl 8, sie steht in der Zahlensymbolik für Ewigkeit, für Neubeginn und Auferstehung, schallt dem Besucher ein wuchtiges Klanggebilde entgegen: Oh Lord, don’t let them drop that atomic bomb on me, ein Song des afroamerikanischen Jazzmusikers Charles Mingus, der das Lied bereits 1961, als die Welt auf den Höhepunkt des Kalten Krieges zusteuerte, komponiert hat.
Kein Geringerer als Peter Madsen, der über 10 Jahre Mitglied in der Band von Mingus war, hat dieses Lied speziell für Valie Exports „Tonskulptur“ zusammen mit sechs weiteren Musikern, darunter auch der Vorarlberger Sänger George Nussbaumer, die „souligste Stimme Österreichs“, neu eingespielt und zu einem Gebet/Geheul/Anklage vertont, eine originäre Mischung aus Angst und Klage, angesichts der jüngsten Ereignisse in der Ukraine. Valie Export wollte das Lied immer schon als musikalisches Bild, dass sie selbst schon als junge 20-jährige zum ersten Mal gehört hat, in der Öffentlichkeit in einem besonderen Rahmen präsentieren, und das ist hiermit nicht nur geglückt, sie hätte keinen besseren Rahmen dafür finden können. „Die Zeit spricht drastisch für sich, wir haben es zwar befürchtet, aber nicht erwartet“, so Valie Export.
Diskussionsrunden mit Experten
Im 2. Stockwerk gestaltete die Vorarlberger Künstlerin Christine Lederer das mobile Studio als Begegnungszone und Dialogplattform mit ausgesuchten Artefakten und Fundstücken. Dort finden jeden Donnerstag öffentliche Diskussionsrunden mit Experten, moderiert von Thomas D. Trummer, zu den Begriffen MUT, ANGST, ARMUT, FRIEDE statt.
Am 1. März 2023 ist Valie Exports langjähriger künstlerischer Weggefährte und Medienkünstler Peter Weibel verstorben. Mit ihrer „Tonskulptur“ hat Valie Export Weibel nicht zuletzt auch ein exquisites Requiem mit auf seinen letzten Weg gegeben.
Valie Exports „Tonskulptur“ ist nicht nur ihr Menetekel, es ist ein Mahnmal an alle Kriegstreiber dieses Planeten. Auf einer der Orgelpfeifen fand sich eine nahezu verblasste Notenhandschrift auf der das Wort „dona …“ ausgemacht werden konnte. „Dona nobis pacem“, ein dreistimmiger Kanon von einem uns nicht mehr bekannten Komponisten. Paradoxerweise wurde dieses Lied gerade zur Zeit der Kreuzzüge in die feststehenden Gesänge der Messfeier aufgenommen … „dona nobis pacem – gib uns Frieden! Die Geschichte wiederholt sich. TSH


