„Worte, die zum Himmel fliegen“

Kultur / 12.05.2023 • 18:17 Uhr
Unser DeutschlandmärchenDinçer Güçyeter, mikrotext Verlag, 216 Seiten

Unser Deutschlandmärchen

Dinçer Güçyeter, mikrotext Verlag, 216 Seiten

Autor Dinçer Güçyeter liest heute Abend im Theater am Saumarkt in Feldkirch.

Preis Der Lyriker Dinçer Güçyeter ist der Sohn einer türkischen Gastarbeiterfamilie und zählt zu den erfolgreichsten Dichtern Deutschlands. In seinen Werken geht es um die Fragen nach Identität und Kompromiss in Bezug auf die türkisch-deutsche Einwanderungsgeschichte. Jetzt hat der 43-Jährige erstmals einen autobiografisch grundierten Roman geschrieben. Für „Unser Deutschlandmärchen“ erhielt er dafür den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse in der Belletristik-Sparte. Güçyeter erzählt die Geschichte seiner Eltern, die in den 1960er-Jahren als türkische Gastarbeiter nach Nordrhein-Westfalen kamen. In der Hoffnung auf ein besseres Leben. „Denn hier in Deutschland werden Arbeitskräfte gebraucht, in den Bergwerken und in den Schuh- und Teppichfabriken.“

„Mutter-Sohn-Duett“

Die Eltern arbeiteten viel, und sie siedelten sich dauerhaft in Nettetal an, einem Städtchen an der niederländischen Grenze. Er selbst nennt die Geschichte ein „Mutter-Sohn-Duett“. In kurzen, oft lyrischen Episoden entfaltet der Autor ein Zwiegespräch zwischen ihm und seiner Mutter Fatma, die als Fabrikarbeiterin das Geld verdient, während Vater Yilmaz mit seiner Kneipe ständig in die Schulden rutscht.

Porträt einer ganzen Generation

Es ist ein Roman über Familie und Migration, das Porträt einer ganzen Generation von Gastarbeitern und auch ein Porträt seiner eigenen Mutter Fatma. Von einem besseren Leben weit entfernt, handelt es von Arbeitsunfällen, langen Krankenhausaufenthalten und einer Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen, für die es keine Heilung gibt. „Letztendlich ist es fremdes Land, du bist der Gast, der produzieren soll, dein Platz ist befristet, solange du funktionierst“, stellt Fatma lakonisch fest. Güçyeter denkt und lebt im Dazwischen der deutschen Heimat und den türkischen Wurzeln. Spielerisch mischt er Form und Inhalt. So gelingt ihm ein großer Wurf. Er klagt nicht an, sondern setzt auf ungewöhnliche und variable erzählerische Mittel, flechtet Lieder ein, Gedichte, theaterhafte Szenen, Gebete und Träume.

Die Jury würdigte das Buch in ihrer Begründung als einen Roman, „der die Worte zum Himmel fliegen lässt und die Demütigungen am Boden nicht ausspart“. CRO