Zumindest literarisch ist der Sommer eröffnet

Kultur / 19.05.2023 • 17:59 Uhr
Seemann vom SiebenerArno Frank, Tropen Verlag, 233 Seiten

Seemann vom Siebener

Arno Frank, Tropen Verlag, 233 Seiten

Ein einziger flirrender Sommertag im Freibad und ein ganz großes Lesevergnügen. Autor Arno Frank packt die Badetasche.

Roman In der tiefen Provinz, in einer Kleinstadt in Rheinland-Pfalz, hat sich ein Unglück ereignet. Max, der von Berlin wieder zurück in die Geburtsstadt ging, um die Spedition des Vaters zu übernehmen, kam mit dem Auto von der Straße ab und verunglückte tödlich. Dazu gab es auch noch vor einigen Jahren ein Unglück mit tödlichem Ausgang bei einem Sprung vom 7-Meter-Brett. Seitdem ist das Brett gesperrt. Zum Begräbnis von Max findet sich „die Klasse von 1984“ am Vortag im Freibad ein. Ob Renate, Kiontke oder Lennart, dorthin trägt jeder sein in den letzten Jahren angehäuftes Schicksal, wo schon am Morgen die Hitze steht und sich auch laut Autor Arno Frank so anfühlt: „Ein Hauch von Chlor, dazu die heftige Fäulnis von gemähtem Gras. Noch kein Frittenfett, der Kiosk öffnet erst um zehn Uhr.“ Jeder Leser erkennt hier sein eigenes Schwimmbad der Jugend wieder. Aber heute geht etwas zu Ende, das signalisiert uns der Autor in seinem aktuellen Roman „Seemann vom Siebener“ mit jeder Seite. Das hier ist echter Lesestoff, hier wird Zeile für Zeile aus allen Richtungen eine Geschichte erzählt. Grundsätzlich wäre es dramaturgisch sinnvoller gewesen, ein Unglück zu fokussieren, so kannibalisieren sich die beiden Tragödien etwas und der Leser weiß nicht immer, um welches Dilemma es sich momentan in den knappen Absätzen handelt. Der Autor nimmt sich seiner Charaktere vortrefflich an und führt sie durch den Roman, am ehesten zu vergleichen mit Stewart O’Nans Frühwerk „Engel im Schnee“, wo sich nun im Falle des deutschen Autors alles gekonnt in sommerlicher Schwüle auf ein Sommergewitter mit bösem Ausgang zuspitzt.

Auf Holmes und Watsons Spuren

„Wenn Worte töten“ nennt sich Anthony Horowitz neuer Kriminalroman rund um das fiktive Ermittler-Duo Daniel Hawthrone, ehemaliger Kriminalbeamter, jetzt Privatdetektiv, und seinem Assistenten, dem Autor Anthony Horowitz. Ja, richtig gelesen, Anthony Horowitz ist sowohl Autor des Romans als auch fiktiver Darsteller im Roman selbst, nur dass er auf literarischer Ebene als Hawthrones Anhängsel agiert, sich dessen Alltags annimmt und daraus Kriminalromane verfasst. Im dritten Band „Wenn Worte töten“ steht Horowitz kurz vor der Veröffentlichung seines neuen Kriminalromans, als er für ein Gespräch in den Buchverlag gebeten wird – Literaturfestivals stehen an und Hawthrone soll ihn begleiten, um den Roman anständig zu pushen. Das Verhältnis zwischen beiden Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, ist nicht besonders gut und rein geschäftlicher Natur, dennoch fliegen sie gemeinsam zu einem Literaturfest auf die nordfranzösische Insel Alderney. Spannend gestaltet sich die Auswahl der anderen Gäste: eine blinde Seherin, ein Koch, eine Dichterin, ein Historiker und eine Kinderbuchautorin. Finanzier der Veranstaltung ist ein gewisser Charles le Mesurier – ein unsympathischer, in die Glücksspiel-Szene involvierter Kerl, der den Bau umstrittener Hochspannungsleitungen befürwortet. Le Mesuriers Hintergedanke: Das Literaturfestival soll sein Ansehen auf der Insel verbessern, doch dazu kommt es nicht, denn nach der Abschlussfeier wird le Mesurier tot aufgefunden.

Das System des Autors lässt sich auf folgende brauchbare Formel runterbrechen: Ein Ermittler-Duo, frei nach Holmes und Watson, ein unbeliebtes Opfer und eine Vielzahl an potenziellen Tätern und fertig ist der Stoff, aus dem klassische Spannungsromane gemacht werden. Das Buch profitiert von flotten Dialogen und hat witzige, wenn nicht zynische Elemente, wo sich der Autor auch nicht bierernst nimmt. Horowitz geht sehr strukturiert vor und liefert mit „Wenn Worte töten“ spannenden Lesestoff für ein gemütliches Krimi-Wochenende.

Wenn Worte tötenAnthony Horowitz, Insel Verlag, 333 Seiten

Wenn Worte töten

Anthony Horowitz, Insel Verlag, 333 Seiten