Bravo für den heimlichen Architekturstar Czech
Alle zwei Jahre wieder wird Venedig zum Mekka der Architektur. Bei der wichtigsten Präsentation zur Baukunst weltweit zeigen 89 Teilnehmer aus verschiedenen Ländern ihre Entwürfe und Ideen. Diesmal stammt die Hälfte der Beiträge aus Afrika oder der afrikanischen Diaspora. Das Publikum kann 64 Länderpavillons besuchen. Die Schau, die bis zum 26. November dauert, hat das Motto „Das Labor der Zukunft“. Geleitet wird die diesjährige Biennale von der ghanaisch-schottischen Architektin und Schriftstellerin Lesley Lokko. Im Fokus steht die Rolle der Architektur und des Bauens in Bezug auf Nachhaltigkeit gerade in Zeiten des Klimawandels. Und das leistet sie auch, mit beeindruckenden architektonischen Visionen. Österreich ist im Hoffmann Pavillon mit dem österreichischen Architekturkollektiv AKT in Kooperation mit Hermann Czech vertreten. Das Wiener Magazin Falter bezeichnete Hermann Czech als den heimlichen Stararchitekten, den keiner kennt. Der deutsche Groß-Kurator Kaspar König nannte Czech einen „Architects Architect, einen Architekten, den Architekten international kennen und schätzen, der aber bei Medien und Publikum wenig bekannt ist.
Der heurige Biennalebeitrag von AKT und Hermann Czech dürfte dem vermeintlich Unbekannten auch beim Publikum jene Bekanntheit geben, die diesem herausragenden Architekten längst zusteht. Denn Czech ist für mich der Wiener Architekt, der mit seinen sensiblen Bauten und Umbauten, von Wiener Bars und Restaurants wie dem Mak-Cafe, dem Kleine Café und dem Immervoll, der Winterverglasung der Loggia der Wiener Staatsoper oder dem Umbau der Zentrale der Bank Austria am Hof Wiens Atmosphäre mitgeprägt und sich wie kaum ein anderer Architekt auch mit Wiens Architekturgeschichte theoretisch und in der Praxis auseinandergesetzt hat. Visionär waren auch seine Projekte zum U-Bahnausbau in Wien und seine Hochhausstudie für Innsbruck. Zu Recht gilt er als ein Architekt einer neuen „stillen” Architektur, die sich nicht wichtigmacht, sondern“ nur spricht, wenn sie gefragt wird.” Das beweist nun auch seine Arbeit für Venedig. Unter dem Titel „Partecipazione/Beteiligung“ planten AKT und Hermann Czech den Österreichischen Pavillion für die Bevölkerung Venedigs frei zugänglich zu machen, indem sie ihn unter Beteiligung der Nachbarschaft mit einer Brücke zum angrenzenden Stadtteil öffnen. Dabei ging es um die grundsätzliche Frage der Rolle der biennale für die Stadt Venedig. Auch wenn das Projekt letztlich keine Genehmigung fand, die Brücke nur bis zur die Biennale von ihrer Nachbarschaft trennenden Mauer erreichte, wurde das Ziel einer Debatte über die gesellschaftlichen Wirkung und Macht der Biennale auf Architektur und Raum erreicht. Denn es ist nicht zuletzt die sich räumlich immer mehr in der massiv von Abwanderung betroffenen Lagunenstadt ausdehnende Biennale, die mit ihren zusätzlichen Touristenmassen und preissteigernder Immobiliennachfrage das Alltagsleben erschwert.
Ein Bravo für diesen klugen Beitrag. Den Goldenen Löwen erhielt Brasiliens Beitrag, der die „Vorstellungen der indigenen und schwarzen Bevölkerung mit Blick auf Formen der Wiedergutmachung“ in den Mittelpunkt stellt.
Gerald Matt
gerald.matt@vn.at
Dr. Gerald Matt ist Kulturmanager und unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.