Tiefe Einblicke in Schuberts Seele

Kultur / 25.06.2023 • 17:32 Uhr
Sie sind im Programmangebot der Schubertiade längst so etwas wie eine sichere Bank, die Mitglieder des Hagen Quartetts. <span class="copyright">Schubertiade Gmbh</span>
Sie sind im Programmangebot der Schubertiade längst so etwas wie eine sichere Bank, die Mitglieder des Hagen Quartetts. Schubertiade Gmbh

Das Hagen Quartett bot auch bei seinem 60. Schubertiade-Konzert exzellente Qualität.

SCHWARZENBERG. Sie sind im Programmangebot der Schubertiade längst so etwas wie eine sichere Bank, die Mitglieder des Hagen Quartetts. Eben fügten sie den bisherigen Konzerten hier seit ihrem Debüt von 1985 noch im Palast ein 60. hinzu, das zweite bereits in dieser Saison, und stets vor vollen Sälen. Die Faszination des Ensembles bei unserem Publikum beruht wohl auch darauf, dass vor allem ältere heimische Musikfreunde sich bis heute gerne auf die Lustenauer Wurzeln der „Hagens“ berufen, obwohl die Fakten anderes belegen.

Was das Ensemble auch bei der wohl x-ten Wiederholung anbietet, geht über eine bloße Blaupause weit hinaus. <span class="copyright">Schubertiade GmbH</span>
Was das Ensemble auch bei der wohl x-ten Wiederholung anbietet, geht über eine bloße Blaupause weit hinaus. Schubertiade GmbH

Alle vier Geschwister der Urbesetzung sind in Salzburg geboren, wo das Quartett als „Hagen-Kinder“ auch vor rund 50 Jahren aus der Taufe gehoben wurde. Eine Verbindungslinie zu unserem Land lässt sich allein über den Gründer-Vater verfolgen, den 1931 in Lustenau geborenen Bratschisten Oskar Hagen, der später nach Salzburg auswanderte und dort vor zwei Jahren verstorben ist. Das ist natürlich eine Diskussion „um Kaisers Bart“, denn letztlich geht es doch allein um jene außergewöhnlichen Eigenschaften, die sich das Quartett seit seinem offiziellen Start 1981 angeeignet und dieses zu Weltruhm geführt hat. Dabei ist es ein kleines Wunder, dass es in den über 40 Jahren neben Primarius Lukas, Schwester Veronika an der Bratsche und Bruder Clemens am Violoncello Besetzungsänderungen allein in der Position der zweiten Geige gab, die seit 1987 Rainer Schmidt anvertraut ist.

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Was soll man sagen? Da treten sie auf, die Vier, jugendlichen Schrittes, und wären nach den ersten Tönen auch mit geschlossenen Augen erkennbar gewesen durch ihren vollkommen gerundeten, reinen, hell leuchtenden Klang. Gerade zwei der drei von Mozarts späten, gereiften „Preußischen Quartette” sind quasi ihr täglich Brot, weil sie mit einer Gesamteinspielung aller Mozart-Streichquartette einst ihre Karriere entscheidend befeuerten. Aber was das Ensemble auch bei der wohl x-ten Wiederholung anbietet, geht über eine bloße Blaupause weit hinaus. Da dominiert im introvertierten B-Dur-Quartett sehr individuell die Dichte des kompositorischen Satzes, aus dem sich im Larghetto eine wunderbare Melodie des Konzertmeisters löst. Im Menuett des belebteren F-Dur-Werks betonen die Musiker dagegen lustvoll die wienerisch geselligen, aber gegen den Strich gebürsteten Tanzweisen des aufkommenden Biedermeier.  

Sie sind Stammgäste bei der Schubertiade.
Sie sind Stammgäste bei der Schubertiade.

Der Abschluss des Programms mit Schuberts „Rosamunde“-Quartett, das in seiner Beliebtheit gleich nach dem „Forellenquintett“ kommt, mag manchem noch den letzten Anstoß zum Besuch dieses Konzerts gegeben haben. Es wäre aber falsch, den zentralen zweiten Satz mit dem gekonnt umspielten Thema herauszuheben. Die wahre Schönheit dieses Stücks erschließt sich, gerade in dieser aufwühlenden Interpretation des Hagen Quartetts mit tiefen Einblicken in die Abgründe von Schuberts Seele, erst im Überblick als kammermusikalisches Gesamtkunstwerk.

Fritz Jurmann