Sakrale Musik als Lebensinhalt

Kultur / 12.07.2023 • 16:16 Uhr
Gebhard Wiederin an der Orgel der Kirche von Altenstadt im Jahr 2011. JU
Gebhard Wiederin an der Orgel der Kirche von Altenstadt im Jahr 2011. JU

Mit Gebhard Wiederin (92) verstarb der Nestor der Kirchenmusiker im Land.

THÜRINGEN Er war das, was man einen fundiert ausgebildeten Kirchenmusiker nennt: Organist, Chorleiter und als Komponist ein Vorkämpfer für die Erneuerung sakraler Musik. Darüber hinaus fand man ihn im Raum Feldkirch an bis zu sechs Stellen im praktischen Orgeldienst. Als laut Eigendefinition „Langzeitorganist ohne Ablaufdatum“ brachte er es oft auf bis zu fünf Messen an einem Wochenende, und das 70 Jahre lang, bis ins hohe Alter. Trotz solcher Schaffenskraft blieb er der stets bescheidene, heitere „Gebi“, der auch gern mit seinen Freunden einen Jass klopfte. Nun ist Prof. Gebhard Wiederin 92-jährig verstorben.

Der am 9. Februar 1931 geborene Frastanzer fühlte sich von Anfang an zur Musik berufen und wurde nach seiner Ausbildung in Klavier und Orgel an der Musikschule Feldkirch von den damals führenden Köpfen der Musica sacra in Wien wie Ernst Tittel, Hans Gillesberger und Alois Forer unterrichtet. Als Mensch war sein Schaffen aber im Besonderen geprägt von dem Feldkircher Komponisten Ferdinand Andergassen, dem Begründer der neueren Musik in Vorarlberg, dem er mehrfach ein Denkmal gesetzt hat. Als Domorganist (1957 – 1971) und vor allem als Domkapellmeister von Feldkirch (1971 – 1991) führte er regelmäßig Andergassens Messen auf, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Manche der nur handschriftlich vorliegenden Partituren gab er später in der „Edition Feldkirch“ gedruckt zum praktischen Gebrauch heraus und arbeitete eng an der Auswahl für die von seinem Freund Manfred A. Getzner zwischen 1997 und 2008 veröffentlichte 33-teilige CD-Reihe „Musik aus Feldkirch“ mit.

Sechsköpfige Familie

Heute kann man Wiederin ohne Zweifel als künstlerischen Erben Ferdinand Andergassens bezeichnen, der die klare Tonsprache seines Mentors in einer eigenpersönlichen Schreibweise weiterentwickelte, bis hin zu einer neoklassizistischen, gemäßigt modernen Ausdruckweise, wie sie in seinen 15 Motetten, den Klavierliedern und den drei lateinischen Messen zum Ausdruck kommt. Besonders gefragt ist bis heute seine relativ einfach singbare „Missa in d“ von 2005. „Eigentlich wäre ich ja am liebsten nur Kirchenmusiker geworden“, gestand Wiederin im VN-Gespräch zu seinem 80er. Doch er hatte eine sechsköpfige Familie zu ernähren und hat so von 1956 bis 1991 im Lehrdienst als Musikerzieher gearbeitet, zuerst in Bludenz und zuletzt an der PädAk in Feldkirch. Nach dem frühen Tod der ersten Frau Gretl 1992 hat Wiederin seit 20 Jahren in Thüringen an der Seite seiner zweiten Gattin Daria ein neues Glück gefunden. Besonders gefreut hat ihn, dass alle seine vier Kinder Musiker geworden sind: „Sie sind einfach vom Virus angesteckt!“ Das Land stellte sich bei Wiederin mit dem Goldenen Verdienstkreuz für Wissenschaft und Kunst ein, die Stadt Feldkirch und die Diözese ehrten ihn ebenso mit hohen Auszeichnungen. JU