Ein Spektakel der Vielfalt und Buntheit

Avantgardistische Oper bei den Bregenzer Festspielen.
Bregenz Im Rahmen der Bregenzer Festspiele erlebten die Zuschauer ein Werk, das mutig und einfallsreich verschiedene Genres miteinander verbindet: „The Faggots & Their Friends Between Revolutions“. Ursprünglich als Buch von Larry Mitchell 1977 veröffentlicht, wurde das Werk von den kreativen Köpfen des Librettisten Ted Huffman und des Komponisten Philip Venables in eine Oper der anderen Art verwandelt.
Das Herzstück des Werks liegt in seiner politischen Tragweite, indem es individuelle Erfahrungen und Identitäten in der Konfrontation mit einem abstrakten, einengenden und dominierenden Kollektiv untersucht. Die Oper vereint eine einzigartige Mischung aus Improvisation, Traditionen und musikalischen Techniken, die von mittelalterlichen Klängen über Weltmusik bis hin zu amerikanischer repetitiver Musik reichen.
Erzählerische Kraft
Unter der musikalischen Leitung von Yshani Perinpanayagam entfaltet sich ein durchgehendes und vielschichtiges Klangerlebnis. Die beeindruckende Koordination der vierzehn Künstler auf der Bühne, die als Multiinstrumentalisten agieren, verbindet Keyboards, Streicher, Bläser und Perkussion harmonisch miteinander.
Das gesprochene Wort spielt in dieser Inszenierung eine zentrale Rolle. Die Darsteller agieren nicht nur als Sänger und Musiker, sondern auch als Rezitatoren, die den Prozess der Konstruktion, Dekonstruktion und Rekonstruktion einer patriarchalischen Gesellschaft eindrucksvoll darstellen. Die faszinierende Mischung vokaler und instrumentaler Klänge aus der abendländischen Musiktradition unterstützt die erzählerische Kraft der Oper.
Aus der großartigen Besetzung ragt die französische Sopranistin Mariamielle Lamagat mit ihrer klaren und strahlenden Stimme heraus. Ebenso begeistert die omanische Mezzosopranistin Deepa Johnny mit ihrem weichen Timbre und bestechender Tiefe. Der Countertenor Collin Shay präsentiert seine einzigartige Stimme virtuos an der Orgel, während der balladeske Lautenist Kerry Bursey die Musik mit zarter Sanftheit interpretiert. Der kraftvolle Bariton der Transgender-Künstlerin Katherine Goforth rundet das Ensemble hervorragend ab.
Besonders hervorzuheben ist Christopher (Kit) Green, der nicht nur singt und spielt, sondern quasi als Moderator durch die Produktion führt. Er spielt seinen ganzen Charme aus, wenn er sich kurz seiner Rolle entledigt, um das zunächst überraschte und zurückhaltende Publikum zum Mitsingen zu animieren. Auch Yandass, Tänzerin, Choreografin, Bewegungsregisseurin und Schauspielerin, begeistert mit rauchiger Stimme und unbändiger Energie. Die Darsteller überzeugen durch ihre Vielseitigkeit als Musiker, Sänger, Sprecher und Tänzer und erwecken Larry Mitchells utopische Vision von liebevollem gemeinsamem Handeln eindrucksvoll zum Leben.
Eine kompaktere Aufführung von etwa einer Stunde hätte dem Stück allerdings gutgetan. So weiß man spätestens nach 70 Minuten, dass die „Faggots“ und ihre Freunde gut, lieb, künstlerisch und großzügig sind, während die Welt der „Männer“ brutal, geizig, böse und materialistisch ist. Dem Regisseur fällt nichts Neues mehr ein, die Stühle werden immer wieder über die Bühne gerückt und die Musik verliert ihre anfängliche Kraft.
Dennoch bleibt „The Faggots & Their Friends Between Revolutions“ ein faszinierendes Spektakel, das das Publikum in eine Welt voller künstlerischer Vielfalt und politischer Bedeutung entführt. In unserer Welt des Musiktheaters, insbesondere der Oper, bräuchte es wahrlich mehr von dieser Buntheit und Vielfalt. VN-ama
