Olympiade der hohen Männerstimmen

Vivaldi-Oper bei den Innsbrucker Festwochen für Alte Musik als Fest für Sänger.
Innsbruck Alessandro De Marchi verlässt seinen Posten als Intendant der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik mit einem Vivaldi-Schwerpunkt: Nach „L’Olimpiade“ werden auch „La Fida Ninfa“ und „Juditha triumphans“ aufgeführt. 2010 hatte er mit „L’Olimpiade“ in der Vertonung von Pergolesi seine Laufbahn in Innsbruck begonnen.

Das verwickelte Libretto von Pietro Metastasio, das während der Olympischen Spiele spielt, wurde über fünfzig Mal vertont und bietet nicht nur Liebesverwirrungen zwischen Mann und Frau, sondern auch Männerfreundschaft, Selbstmordversuche, Wahnsinn und Opferbereitschaft bis in den Tod. Nicht ein Deus ex machina löst die Konflikte, die Figuren selbst reifen menschlich – ein frühes Zeichen der Aufklärung.

Die 1734 uraufgeführte Vivaldi-Oper wurde 1939 von den italienischen Faschisten wiederentdeckt. Der Regisseur Stefano Vizioli lässt die Handlung in den Dreißigerjahren spielen (er sei von Leni Riefenstahls Olympiade-Film sehr beeindruckt gewesen), baut aber sonst keine politischen Bezüge ein. Schon während der Ouvertüre und dann wieder beim Finale tummeln sich Turner an Ringen und Pferd auf der Bühne.

Das Bühnenbild von Emanuele Sinisi, ein Turnsaal und dann ein schlichter Innenraum sowie die elegant stilisierten Kostüme von Anna Maria Heinreich schaffen eine Atmosphäre des Gegenwärtigen und doch Zeitlosen. Der größte Trumpf ist das Sängerensemble, das Vivaldis wunderschöne, teils virtuose, teils innige Arien zum Klingen bringt: Bejun Mehta als Licida und Raffaele Pe als Megacle sind zwei Stars am Countertenorhimmel, die keine Wünsche offenlassen.

Der Sopranist Bruno de Sà ist ihnen ebenbürtig. Mehtas Stimme beeindruckt durch die vielen Farben, die er ihr abgewinnt, Pe singt in seiner Bravourarie im 3. Akt alle an die Wand, de Sà trällert seine halsbrecherischen Koloraturen, als sei das nichts. Auch Benedetta Mazzucato als vergessene Geliebte Argene setzt ihren Mezzo ausdrucksvoll ein, Margherita Maria Sala als Königstochter Aristea gestaltet ihren Part intensiv und abwechslungsreich.

Die tiefen Männerstimmen von Luigi De Donato und Christian Senn ergänzen das Ensemble perfekt. Der zweite Trumpf ist das Orchester, das unter De Marchis eleganter und feinabgestimmter Leitung am Cembalo den dreistündigen Abend ungemein konzentriert und farbenreich gestaltet.

Mit dieser „Olimpiade“ hat De Marchi seine Intendanz mit einem fulminanten Finale beendet und Innsbruck eine Sommer-Olympiade beschert, die szenisch überzeugt und musikalisch mitreißt. Beifallsorkane im Publikum.
Ulrike Längle