„Ich bin letztlich ein glücklicher Mensch geworden“

Mit Nacht-Schatten zum Licht: Komponist Georg Friedrich Haas wird 70.
New York Es hat lange gedauert, bis Georg Friedrich Haas’ Werke in der breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Mittlerweile hat sich der in Vorarlberg aufgewachsene Künstler jedoch in der absoluten Spitzenklasse der renommiertesten lebenden Komponisten Österreichs etabliert. Am 16. August feiert der derzeit vielleicht erfolgreichste Tonschöpfer des Landes 70. Geburtstag. Von großem Optimismus ist das Werk des Jubilars allerdings nicht geprägt – allein der Blick auf die Titel offenbart die etwas düstere Grundhaltung: „Melancholia“, „Nacht-Schatten“, „Koma“ oder „Bluthaus“. Es schmerze, wenn man lange Zeit die eigenen Werke nicht in der entsprechenden Qualität hören könne, erinnerte sich der Komponist einst, der nach eigenen Angaben seine Berufswahl schon als Kind getroffen hat.
Kindheit in Tschagguns verbracht
Geboren wurde Georg Friedrich Haas am 16. August 1953 in Graz, seine Kindheit und Jugend verbrachte er allerdings in Tschagguns, bevor es den jungen Haas von 1972 bis 1979 wieder nach Graz zog, wo er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Komposition bei Gösta Neuwirth, Klavier bei Doris Wolf und Musikpädagogik studierte. 1978 begann er an der Grazer Musikhochschule zu unterrichten. Zwischen 1981 und 1983 führte ihn ein Postgraduiertenstudium bei Friedrich Cerha an die Hochschule für Musik und darstellende Kunst nach Wien. Auch danach blieben die beiden Komponisten eng verbunden, war es doch nicht zuletzt Cerha, der 2007 Haas für den Österreichischen Staatspreis vorschlug.
In seinen Werken versucht Haas, sukzessive musikalisches Neuland zu erobern, wobei er sich intensiv mit der Mikrotonalität auseinandersetzt, also mit Intervallen arbeitet, die kleiner als ein Halbtonabstand sind und in Abkehr von der wohltemperierten Skala gleichsam magische Klangwelten schaffen. Hiermit wurde Haas zum zentralen Proponenten der sogenannten Spektralmusik, die sich auf die Obertöne fokussiert.
Zugleich beschäftigt sich Haas immer wieder mit den musikalischen Vorläufern. So entstand 1999/2000 „Torso“, eine Orchestrierung der unvollendet gebliebenen Klaviersonate in C-Dur von Schubert. Mozart hat er nicht nur in seinem frühen Streichorchesterwerk „… sodaß ich’s hernach mit einem Blick gleichsam wie ein schönes Bild … im Geist übersehe“ (1990/1991) geehrt, sondern auch in den „7 Klangräumen“ (2005). Und im „Concerto für Violoncello und Orchester“ (2003/2004) führt das Soloinstrument ein Zitat aus Franz Schrekers Oper „Der ferne Klang“ an.
Uraufführungen in Bregenz
Die Trias aus Bregenzer und Schwetzinger Festspielen sowie den Donaueschinger Musiktagen dominierte lange Zeit Haas’ Karriere. So wurden seine Opern „Nacht“ (1998) und „Die schöne Wunde“ (2003) in Bregenz uraufgeführt, die Werke „Hyperion“, „Natures mortes“ und „Limited approximations“ in Donaueschingen. Seine beiden vergangenen Opern „Thomas“ (2013) und „Koma“ (2016) hingegen erblickten in Schwetzingen das Licht der Welt. Aber auch das Festival „Wien Modern“ hat Haas bereits einen Schwerpunkt gewidmet und setzt verlässlich Arbeiten des Meisters auf den Spielplan. Seine jüngste Bühnenarbeit, die Oper „Liebesgesang“ mit einem Libretto von Klaus Händl, soll indes kommendes Jahr ebenso in Bern Uraufführung feiern wie „Sycorax“ im Vorjahr.
Neben der eigenen kompositorischen Arbeit stand für Haas stets die Weitergabe seines Wissens im Mittelpunkt seines Schaffens. Seit 1989 lehrte er Kontrapunkt und Analyse an der Grazer Musikhochschule, 2003 wurde er zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt. Zwischen 2005 und 2013 leitete Haas eine Kompositionsklasse an der Hochschule für Musik der Musik-Akademie der Stadt Basel und wurde Professor für Komposition an der Columbia University New York, wo er mittlerweile auch lebt.
Mit dem Großen Österreichischen Staatspreis hat Haas 2007 die höchstrangige Auszeichnung der Republik für Künstler erhalten. Und 2013 bekam Haas den mit 60.000 Euro dotierten Musikpreis Salzburg.
In einer 2017 von der italienischen Musikzeitschrift Classic Voice lancierten Abstimmung wurde sein Stück „in vain“ (2000) als bedeutendstes Werk in der Kunstmusiksparte seit 2000 gekürt, und er bekam die meisten Stimmen als wichtigster lebender Komponist.