Der öffentliche Raum als Hauptdarsteller

Das Projekt „Wagen“ lotet die Grenzen des Möglichen aus.
Bregenz Was haben ein Fußballturnier in der Achsiedlung, eine Stadtführung entlang des Bregenzer Straßenstrichs der 1970er-Jahre und der gemeinsame Verzehr von Pommes vor dem ehemaligen Radlertreff beim Segelhafen gemeinsam? Und sowieso: Seit wann liegt Bregenz in Italien?
Da, wo der Normalsterbliche gedanklich Fragezeichen setzt, werfen die Kulturproduzenten Manu Menghin, José Oliveira, Lena Seeberger und Lukas Weithas nur so mit Ausrufezeichen um sich.

Gemeinsam haben sie das Projekt „Wagen“, welches am Samstag, den 19. August, seinen Abschluss findet, konzipiert und im Rahmen des Bregenzer Kultursommers getreu des Mottos „Das große Fressen“ stiefkindlich, autonom und mit namhaften Komplizen umgesetzt.
Da die Wissenschaft festgestellt hat, dass einen der Wortspielblitz nicht bei der Notdurft treffen kann, darf kurz und knapp erklärt werden, dass „Wagen“ sehr wohl als Einsatz eines hohen Risikos trotz der Möglichkeit eines Fehlschlags gedeutet werden kann, der in diesem Fall aber auch materialisiert wird. Der „Wagen“ ist, soviel verrät der Flyer, „ein transportables, mobiles Objekt, welches den Aktionsraum markiert und künstlerische Positionen mit sozialen Impulsen kombiniert“. Denn, „im öffentlichen Raum trifft ganz Bregenz aufeinander. ,Wagen‘ diskutiert mit verschiedenen Aktionen an diversen Orten die Stadt und ihre Räume“. Die Prämisse lautet folglich: Die Grenzen der Stadt sowie jene der Kultur sind nicht etwas, was sich auf Karten einzeichnen lässt. Dasselbe gilt für Partizipation, denn der Raum gehört uns allen. Das Schlagwort lautet einbinden, nicht ausgrenzen.

Bisher wurde der Wagen für sechs Aktionen dem Anlass entsprechend adaptiert, denn der Konsum von fester sowie flüssiger Nahrung ist universeller Bestandteil der Idee. Da macht es schon einen Unterschied, ob kleine Würstchen gegrillt (Let’s meet at the Parking) oder Piccolo aus der Kühltruhe (Gegen den Strich) gereicht wird. Auch im Feilbieten von Wahlkampfmemorabilia für das Theaterstück „Die Politiker“ des Ensembles für unpopuläre Freizeitgestaltung machte das Objekt keine schlechte Figur.

Es wäre müßig, auf jede einzelne der bereits stattgefundenen Interventionen im Detail einzugehen. Eine lobende Erwähnung hat ganz sicher „Live in Bregenz, Italy“ von Veronique Homann, eine sakral-akustische Annäherung an einen Konzertmitschnitt der Gruppe Psychic TV von 1985, verdient. Die Musiker wähnten sich vor knapp 40 Jahren etwas weiter südlicher, als es der Fall war. Was damals in einem Jugendclub am Bodensee gefeiert wurde, ist nun in der Nepomuk-Kapelle praktisch auf den Altar gelegt worden. Auch nicht unerwähnt bleiben darf „Football against Football“ von Lukas Weithas – ein Fußballturnier für Jung und Alt am Bolzplatz in der Achsiedlung mit anschließendem Grillen und musikalischer Umrahmung durch die Synth-Pop-Gruppe „Halal Hardcore“.
Und was passiert heute? Schon wieder ein Fragezeichen, welches einem Ausrufezeichen weichen muss. Eine Zusammenkunft im Thurn-und-Taxis-Park! Dort, wo unter mehreren Meter Erde tote Römer ruhen, wird ab 14 Uhr mit dem als Pizza- und Cocktailmaschine (Matthias Guido Braudisch) umfunktionierten Wagen den leiblichen Gelüsten gefrönt.
Obendrauf gibt es Soundperformances von Selina Reiterer (AT), FabÍola (PT), Elvin Brandhi (Wales, UK) und Busenfreunde (AT). Auch die bemerkenswerte Schauspielerin und VN-Kulturpreisträgerin Vivienne Causemann wird performativ vor Ort sein. Alle Darbietungen sind im Sinne der Dualität von Leben und Tod speziell auf den Thurn-und-Taxis-Park zugeschneidert.
Auf dem Papier liest sich das wie ein Tag für die Geschichtsbücher. Da die Geschichte bekanntlich von Siegern geschrieben wird und das Projekt „Wagen“ bereits jetzt gewonnen hat, kann man das genau so stehen lassen. Auch ohne Ausrufezeichen. Ach ja: Der Eintritt ist selbstverständlich frei – es ist der öffentliche Raum.