Der Mann aus den Bergen

Andrè Schuen präsentierte Schuberts „Schwanengesang“.
SCHWARZENBERG Der aus La Val in Südtirol stammende Bariton Andrè Schuen zählt heute längst zu den Top-Adressen im internationalen Lied- und Opernfach. Seit seinem Schubertiade-Debüt 2015 hat er hier zahlreiche weitere Liederabende gestaltet, einer erfolgreicher als der andere, dabei natürlich auch die beiden großen Schubert-Liederzyklen nach Wilhelm Müller, „Die schöne Müllerin“ und „Winterreise“.
Spezielle Fassung
Folgerichtig erwartete man nun den etwas weniger nachgefragten „Schwanengesang“ mit einer Zusammenstellung von Liedern nach Texten von Ludwig Rellstab, Heinrich Heine und Johann Gabriel Seidl, die erst nach Schuberts Tod 1828 von seinem Verleger Haslinger veröffentlicht wurde. Doch es kam ganz anders. Denn die Schubertiade hat dem umschwärmten Mann aus den Bergen, dem schwarzlockigen Superstar aus der sängerischen Champions League für sein Konzert am Donnerstag mit einer spannenden Lieddramaturgie eine spezielle Fassung bereitet.
Dabei werden allein die sechs düsteren Heine-Lieder als eigentliches geistiges Zentrum aus dem „Schwanengesang“ herausgehoben und in ein neues Umfeld gestellt. Eine ungewöhnliche Idee, ein Experiment, das durchaus aufgegangen ist. Denn dadurch, dass man die im Original einleitenden gefälligen Rellstab-Lieder durch Gesänge nach Texten von Johann Mayrhofer ersetzte, die in ihrem emotionalen Gehalt unmittelbar auf die dunklen, schwermütigen Werke Heines abzielen, erhalten diese deutlich mehr Gewicht, stehen in einem anderen Licht. Vor allem natürlich, wenn ein absoluter Könner seines Fachs sich ihrer annimmt wie Andrè Schuen. Da ist vor allem die Tiefe seines Baritons, die zuletzt an Kraft und Bedrohlichkeit zugenommen hat und in klarer Diktion schon bei Mayrhofers „Fahrt zum Hades“ oder dem „Schiffer“ aufhorchen lässt. Bei den Heine-Liedern wird deren lyrische Gefühlstiefe in Schuberts zukunftsweisender Vertonung zur Vorlage für eine tief ergreifende, ausdrucksstarke Interpretation. Der innere Handlungsfaden steigert sich auch in einer gegenüber dem Original geänderten Reihenfolge vom lieblichen „Fischermädchen“ über die irrlichternden Klangvisionen „Am Meer“ und „Die Stadt“ bis zum stimmlich fordernden absoluten Höhepunkt im „Doppelgänger“, einem Angsttraum in Todesnähe, bis sich im voll strömenden „Bild“ die Szene wieder beruhigt und der in seinem Weltschmerz verkrümmte „Atlas“ als eigentlich erstes Lied hier diese Reihung beschließt. In seiner unaufgesetzten, aber eindringlichen Gestaltungskunst versteht es der Sänger, das atemlos verharrende Publikum in jeder Sekunde mitzunehmen, mitleben und mitleiden zu lassen auf diesem Weg der Schmerzen. Heller Jubel als Dank.
Begeisterte Zuhörer
Der zweite Teil ist dann ein bisschen wie „business as usual“, mit meist gängigen, freundlichen Schubertliedern, darunter auch „Die Taubenpost“ von Seidl, das letzte aus dem „Schwanengesang“ als Erinnerung, zur Entspannung und Aufheiterung. Schuens langjähriger Klavierpartner Daniel Heide, samt kleiner Extravaganzen ein idealer, feinfühliger Mitgestalter, bekommt dabei mit „Auf der Bruck“ und dem „Musensohn“ noch zwei pianistische Knackpunkte vorgesetzt, die er mit Bravour bewältigt. Mit „Im Frühling“ und einem ladinischen Volkslied als Gruß aus seiner engeren Heimat bedankt sich der Sänger bei seinen begeisterten Zuhörern.
ORF-Sendetermin:
12. September 14.05 Uhr, Ö1