Zwischen Leidenschaft und Verzückung

André Schuen und Daniel Heide begeisterten das Publikum bei der Schubertiade.
Schwarzenberg Wenn sich an einem Samstagnachmittag im Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg das Publikum der Schubertiade in gespannter Erwartung versammelt, dann herrscht jene Atmosphäre, die seit Jahrzehnten das unverwechselbare Kennzeichen dieses Festivals ist: Stille und Konzentration sowie die Vorfreude darauf, Zeuge eines besonderen Liedmoments zu werden. Genau dies erfüllte sich, als der Südtiroler Bariton André Schuen gemeinsam mit seinem Klavierpartner Daniel Heide ein Programm gestaltete, das von Richard Strauss und Richard Wagner über Alexander von Zemlinsky bis hin erneut zu Strauss führte – eine Reise durch die Klangwelten der Spätromantik, getragen von besonderer Einheit im Ausdruck.

Schon die ersten Töne von Strauss’ „Frühlingsgedränge” ließen erahnen, dass hier nicht einfach ein Sänger und ein Pianist ein Konzert absolvierten, sondern mit unaufdringlicher Souveränität eine poetische Welt entfalteten. Schuens Stimme, die warm und dunkel gefärbt ist und doch von schlanker Klarheit durchzogen ist, verband sich mit Heides leichtem und zugleich präzise strukturiertem Spiel zu einem intensiven Dialog. Dies zeigte sich auch in den folgenden Liedern – von der gedämpften Trauer des Schack-Liedes „Aus den Liedern der Trauer” bis zur schwebenden Entrückung von „Traum durch die Dämmerung” – und ist kennzeichnend für Schuens Kunst: nie übertrieben, immer im Dienst des Textes. Eine sprachliche Durchdringung verleiht dabei jedem Wort Gewicht und jeder Silbe Farbe.
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Mit den „Wesendonck-Liedern” von Richard Wagner nahm der Nachmittag eine noch intimere Wendung. Wagner, der große Musikdramatiker, hat in diesen fünf Miniaturen eine Verdichtung seines Schaffens erreicht, die in der Aufführung von Schuen und Heide zu leuchtender Gegenwart wurde. Wagner widmete die Lieder der Dichterin Mathilde Wesendonck, der Frau seines Mäzens Otto Wesendonck. Mathilde Wesendonck war nicht nur die Autorin der fünf Gedichte, die Wagner 1857/58 vertonte, sondern auch eine enge Vertraute und Muse des Komponisten. Die Beziehung zwischen Wagner und Mathilde gilt als eine tiefe, inspirierende, aber auch konfliktreiche Liaison, die in direkter Verbindung mit der Entstehung von Tristan und Isolde steht. „Der Engel” erklang schlicht und innig, beinahe wie ein Gebet, während „Stehe still!” eruptive Leidenschaft entfaltete, ohne jemals in bloße Lautstärke zu kippen. Eindrucksvoll war auch „Im Treibhaus“, das mit seinen schwebenden Harmonien jenen „Tristan“-Ton vorwegnimmt, der später als revolutionär bezeichnet wurde. Schuen ließ die Vokallinie wie aus der Ferne leuchten und Heide schuf dazu einen Klangraum von geheimnisvoller Dichte. Am Ende des Zyklus, im flüsternden „Träume”, herrschte im Saal jene vollkommene Stille, die nur entsteht, wenn Musik und Zuhörer eins werden.

Nach der Pause führte der Weg zu Alexander von Zemlinsky, dessen Vier Gesänge inzwischen einen festen Platz im Repertoire erobert haben. Hier offenbarte sich eine andere Seite von Schuen: dramatisch, kantig, mit einer fast opernhaften Präsenz, die das „Turmwächterlied“ zu einem klanglichen Ereignis machte. „Mit Trommeln und Pfeifen” geriet zur ironisch funkelnden Charakterstudie, während „Tod in Ähren” in schwebender Melancholie ein Bild von Vergänglichkeit zeichnete. Heide, der als gleichwertiger Partner präsent war, steuerte einen Klaviersatz bei, der zwischen Wucht und Zartheit jede Nuance der Partitur ausleuchtete.

Den Abschluss bildeten erneut Strauss-Lieder, darunter „Allerseelen“, „Breit’ über mein Haupt“ und der Zyklus der Vier Lieder. In ihnen kulminierte der Abend in einer Mischung aus Leidenschaft und stiller Verklärung. „Cäcilie” stürmte mit fiebriger Intensität nach vorne, „Heimliche Aufforderung” pulsierte im beschwingten Geheimnis und in „Morgen!” senkte sich eine kaum beschreibbare Entrückung über den Saal. Das Klavier malte einen unendlichen Horizont, die Stimme schwebte schlicht und wahrhaftig darüber – ein Augenblick, in dem Zeit und Raum aufgehoben schienen.

Nach einem Moment des Schweigens brach lang anhaltender, begeisterter Applaus los. Er war getragen von der Dankbarkeit für zwei Künstler, die das Kunstlied mit einer Mischung aus jugendlicher Frische und reifer Gestaltungskraft in die Gegenwart tragen. André Schuen und Daniel Heide haben einmal mehr bewiesen, dass sie nicht nur Interpreten von höchstem Format, sondern auch Hüter dieser Kunstform sind, die in Schwarzenberg ihre lebendigste Heimat hat. Erst nach zwei Zugaben entließ das Publikum die beiden Musiker.