Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Wieder in Griechenland

Kultur / 08.09.2023 • 17:29 Uhr

Es hilft nichts, es muss wieder einmal sein – ich habe mich ohnehin schon lange zurückgehalten. Aber jetzt, da ich so voll bin von Eindrücken, da mein Auge immer noch das Blau des griechischen Meeres, das Weiß der Häuser, das Grün und Silber der Olivenbäume sieht, das Zirpen der Zikaden (im Griechischen mit dem wunderbar wortmalerischen Tsitsikas bezeichnet) im Ohr, die schlohweiße Gischt spritzen sieht, wenn die Fähre das Wasser der Ägäis teilt, spürt, wie jede Insel, die man vom Schiff betritt einen eigenen Klang, eine eigene Farbe, einen eigenen Geruch hat – jetzt muss ich wieder einmal etwas über dieses wunderbare, von den Göttern gesegnete Land sagen.

Ich muss nicht schildern, wo ich war, ich muss mich nicht in Elegien ergehen über die immer wieder überraschende Gastfreundschaft und Offenheit der Menschen auf den Inseln, vor allem dort, wo der Tourismus noch nicht vieles von Althergebrachtem zerstört hat, ich will eigentlich nur erzählen, was mit mir vor sich geht, wenn ich griechischen Boden betrete. Tatsächlich, es beginnt genau mit dem ersten Schritt. So ähnlich muss es vor vielen Jahrzehnten, Mitte des letzten Jahrhunderts, dem deutschen Autor Erhart Kästner gegangen sein, als er erstmals in Griechenland war. Er schrieb: „Welch Glück, welch Freude – ich bin in Athen!“ Oder Henry Miller, der in einem der schönsten Bücher, das ich über Griechenland kenne, in „Der Koloss von Maroussi“, anmerkte: „Die Freunde, die ich in Griechenland gewann, waren Griechen, und ich bin stolz darauf und fühle mich geehrt, dass sie mich als einen Freund ansehen.“ Und dann, natürlich, muss man auch Nikos Kazantzakis mit seinem „Alexis Sorbas“, dem griechischsten aller Griechenlandbücher, zu Wort kommen lassen. Denn er spricht mir aus tiefster Seele, wenn er schreibt: „Es gibt, glaube ich, keine Freude, die das menschliche Herz so bewegt, so tief in das Paradies versenken kann, als wenn man, den Namen jeder einzelnen Insel flüsternd, auf einem hellenischen Schiff dieses Meer durchfurcht. Nirgends woanders wird man so friedlich und behaglich aus der Wirklichkeit in den Traum versetzt. Man glaubt, hier in Griechenland ist das Wunder die Blüte der Notwendigkeit.“

Besser und schöner kann man es nicht sagen. Und ich weiß, von was Kazantzakis spricht, ich war in den letzten Wochen auf dem Meer, von dem er spricht, auf einigen der Inseln, und ich habe das gespürt, was hier steht – auch wenn ich das nie so hätte ausdrücken können. Dazu muss man wahrscheinlich ein Grieche sein. Das bin ich nicht, will ich auch nicht sein. Möglicherweise kann man sich aber auch mit Johann Wolfgang von Goethe behelfen, der in seiner „Iphigenie auf Tauris“ Iphigenie sagen ließ: „Und am Ufer steh‘ ich lange Tage, das Land der Griechen mit der Seele suchend.“

„Nirgends woanders wird man so friedlich und behaglich aus der Wirklichkeit in den Traum versetzt.“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.