Die Hölle sind immer die anderen

Kultur / 06.10.2023 • 17:31 Uhr
TaorminaYves Ravey, , Liebeskind Verlag, 112 Seiten

Taormina

Yves Ravey, , Liebeskind Verlag, 112 Seiten

Unnötiges Verbrechen zwischen Mafia-Feeling und weißen Stränden.

Roman Die Ehe von Melvil und Luisa steht vor dem Abgrund. Eine Reise nach Sizilien – genauer nach Taormina, eine malerische Hügelstadt an der Ostküste Siziliens – sollte dem Ehepaar einen neuen Spirit verleihen. Angekommen in Catania, will Melvil seiner Frau den Wunsch erfüllen, ihr sofort das Meer zu zeigen. Wider Erwarten erscheint Sizilien jedoch als Baustelle: Am Strand werden offene Rohranlagen verlegt, die Umkleidekabinen sind aus dem Leim gegangen, dazu treibt dem Ehepaar aus den Staaten ein permanenter Wind Sandkörner ins Gesicht. Es ist eben erst März, die Insel erwacht nur langsam aus ihrem Schlaf. Auf der Rückfahrt von der kleinen Spritztour in Richtung Hotel zieht unerwartet ein unglaubliches Gewitter auf, welches das Mietauto auf der holprigen Straße in Turbulenzen bringt. Plötzlich, ein ohrenbetäubender Schlag auf den Kotflügel. Luisa protestiert, doch anstatt stehenzubleiben und nachzuschauen, fährt Melvil weiter, den Schaden will er erst im Hotel anschauen – und schon ist es passiert!

Kälteschock in Sizilien

Melvil, nicht sicher, was ihm nun unter die Reifen kam, will den Schaden in einer sizilianischen Werkstatt in Taormina, ihrem Urlaubsort, richten lassen, privat und ohne viel Aufsehen. Der Hotelkellner verschafft ihnen eine Werkstatt, wo man nicht lange Fragen stellt. Jedoch liegt in der Werkstatt die aufgeschlagene Tageszeitung, wo auf der Titelseite der Tod eines Mädchens angeprangert wird, welches von einem Auto angefahren worden ist: Es sei ein Flüchtlingskind einer nahegelegenen Zeltstadt. Die Polizei bitte die Bevölkerung um Mithilfe und schon nimmt die Geschichte ihren Lauf.

Ab nun ist Melvil im Panik-Modus, widersetzt sich den Ratschlägen seiner Frau, sich bei der Polizei zu melden, und hält am Plan fest, das reparierte Auto nach dem Kurzurlaub bei der Autovermietung zurückzugeben und unauffällig das Land zu verlassen. Dazu streut der Autor Ereignisse aus der Ehe ein, die jetzt weder Luisa noch Melvil sympathisch erscheinen lassen. Nüchtern und zugleich präzise fängt Yves Ravey den unterschwelligen Rassismus der Süditaliener ein und zugleich, wie gelassen und effizient die Organisierte Kriminalität agiert. Dazu Momentaufnahmen einer Vorsaison, wo die Küste Italiens ein nüchterner, abgenutzter Ort ohne Emotionen zu sein scheint.

Gefühlt könnte der Roman noch besser in den 1990er-Jahren spielen, da Smartphones und auch die unregelmäßige Nutzung durchaus entbehrlich sind. „Taormina“ ist ein kleiner, aber feiner Roman noir, der gerade gut in den Literaturherbst passt.