Antony Gormley in Paris

Kultur / 20.10.2023 • 19:08 Uhr
Gormleys Eisenmänner standen zwei Jahre in Vorarlberg.  VN/HB
Gormleys Eisenmänner standen zwei Jahre in Vorarlberg.  VN/HB

Musée Rodin erweitert Sammlung mit Werken des Bildhauers.

PARIS Am 16. Oktober wurde im Pariser Musée Rodin die Ausstellung „Critical Mass“ von Antony Gormley eröffnet, dessen lebensgroße Eisenmänner von 2010 bis 2012 in den Gemeinden Mellau, Schoppernau, Schröcken, Warth, Mittelberg, Lech, Klösterle und Dalaas auf einer Fläche von 150 km2 die Landschaftsinstallation „Horizon Field“ bildeten. Im Laufe seiner vier Jahrzehnte währenden künstlerischen Karriere hat sich Gormley intensiv mit der Beziehung zwischen dem menschlichen Körper und dem Raum auseinandergesetzt. Indem er seinen eigenen Körper als Medium einsetzt und in jüngster Zeit die Wechselwirkung zwischen Körper und Umwelt untersucht, hat Gormley ein beeindruckendes Werk geschaffen. Die Ausstellung bezieht das gesamte Museum mit ein – von den Wechselausstellungsräumen über die Gärten bis hin zur Marmorgalerie und zum Hôtel Biron.

Critical Mass II

Im Zentrum der Ausstellung steht „Critical Mass II“ (1995), eine In­stallation von sechzig lebensgroßen Skulpturen, die den temporären Ausstellungsraum und den Garten des Museums prägen. In diesem Hauptwerk isoliert Gormley zwölf Grundstellungen des menschlichen Körpers, gießt sie jeweils fünfmal ab und arrangiert sie in unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Konfigurationen. Die Installation der restlichen 48 Figuren erinnert an ihre allererste Ausstellung im Jahr 1995, als sie von einem Lastwagen auf einen Haufen in einem Wiener Straßenbahndepot geworfen wurden und unweigerlich Assoziationen an Leichen weckten, die von Zügen aus in die Lager gepfercht wurden. In Paris hat man das Gefühl, dass sich die Geschichte wiederholt. Einige Figuren stolpern, fallen, verrenken sich, werden gegen Wände gepresst, andere hängen kopfüber von der Decke, viele werden auf einen unvollständigen Haufen geworfen. Der Besucher bahnt sich seinen Weg durch eine Landschaft durcheinandergeworfener Körper, eine Szene der Verwüstung, der Vertreibung – und der Dringlichkeit.

Andere Figuren lehnen an den Wänden oder hängen von der Decke. Für Gormley ist diese Arbeit ein Verweis auf die Materialität der Skulptur und unsere Abhängigkeit von der Materialität des Körpers, die beide von Position, Kontext und Exponiertheit abhängen.

Inspiration und Erneuerung

Zusätzlich zu „Critical Mass II“ werden sechs von Gormleys „Insider“-Arbeiten in der Marmorgalerie gezeigt, während vier sorgfältig ausgewählte Skulpturen neben Rodins Meisterwerken in den permanenten Ausstellungsräumen des Hôtel Biron platziert werden. Diese Anordnung ermöglicht eine Interaktion zwischen den Werken Gormleys und Rodins und stellt unsere Vorstellungen von Skulptur und ihrer Beziehung zum Körper infrage.

Gormley bezeichnet Rodin als eine fortwährende Quelle der Inspiration und Erneuerung für die Bildhauerei. Er schätzt besonders die Art und Weise, wie Rodin durch die Kombination antiker und moderner Methoden und Materialien die Bildhauerei revolutionierte. Mit der Freiheit zu experimentieren, bewaffnet mit den Ressourcen des Industriezeitalters, schuf Rodin eine neue Ära der Bildhauerkunst. Gormley sieht „Critical Mass II“ als Ausdruck seines eigenen Versuchs, die Kraft des Körpers in der Bildhauerei zu nutzen. VN-AMA

Das Musée Rodin präsentiert Antony Gormleys „Critical Mass II“. OAK TAYLOR-SMITH
Das Musée Rodin präsentiert Antony Gormleys „Critical Mass II“. OAK TAYLOR-SMITH

Die Ausstellung ist bis 3. März 2024 geöffnet.