Eine standhafte Änderung
Der ostdeutsche Schriftsteller und Politiker Peter Tille (1938 – 1996) war eine schillernde Person. Er war Bibliothekar an der Wissenschaftlichen Bibliothek in Schwerin, er war in der DDR ein großer Förderer des literarischen Nachwuchses, er war aber ebenso geheimer Informant der Staatssicherheit, der berüchtigten Stasi, wurde letztlich aber auch selbst von der Stasi überwacht. Nach der Wende wurde er Abgeordneter der CDU in Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern, bis er auch aus dieser Position aufgrund der früheren Stasi-Tätigkeit zurücktreten musste.
In den Siebzigerjahren wurde ich zu den Hochschulwochen der Universität Jena, die in der Goethe-Stadt Weimar abgehalten wurden, eingeladen. Ein Besuch, der mir später in Vorarlberg viel Ärger eingebracht hat, weil mir manche vorwarfen, kommunistisch infiltriert worden zu sein. Man darf ruhig zugestehen, dass es solche Versuche gegeben hat, man darf aber auch festhalten, dass es ganz hervorragende Lehrer in diesen akademischen Vorlesungen gegeben hat. Einer davon war Peter Tille, der damals als Erfinder des Schweriner Poetenseminars für lyrische Nachwuchstalente viel Aufmerksamkeit erregte. Kurze Zeit später hat Tille ein Buch mit Aphorismen herausgegeben, das trotz manch politischer Schlagseite auch interessante Sätze enthält. Einer davon, den er schon in Weimar vertrat, ist mir in Erinnerung geblieben: „Es kann standhafter sein, seine Meinung zu ändern, als sie beizubehalten.“ Ein zweischneidiger Satz in Zeiten der Diktatur, ein guter in Zeiten der Demokratie.
Man verzeihe den langen Vorspann, man verzeihe auch, wenn ich für heutige Ereignisse einen Autor der DDR als Zeugen nenne. Aber dieser Satz passt so genau zu den derzeitigen Vorgängen in der ÖVP Vorarlberg, dass ich nicht widerstehen konnte. Denn genau das, nämlich seine „Meinung standhaft geändert“, hat Landeshauptmann Markus Wallner. Und nachdem ich seine Haltung, die strikte Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen in Krankenhäusern des Landes, vor Kurzem noch heftig kritisiert habe, steht es nun natürlich an, sein Umdenken – nämlich genau das zuzulassen – zu loben. Es war ein nicht erwarteter, in unserem Land wohl auch mutiger Schritt von Wallner, umso mehr ist man bereit, in den großteils positiven Chor der politischen Parteien einzustimmen, die dem Landeshauptmann dafür Achtung zollen.
Wallner ist damit, so glaube ich, über den eigenen Schatten gesprungen. Und wohl auch über den seiner Partei, der ÖVP. Ausnehmen muss man da aber die zuständige Landesrätin, Martina Rüscher, die ja schon frühzeitig eine gute Lösung suchte, dann aber zurückgerufen wurde. Nämlich von Markus Wallner. Umso schwieriger für den Landeshauptmann, nun doch noch einer guten, weil möglichst anonymen und gesundheitlich sicheren Lösung zuzustimmen. So wie andere ziehe deshalb auch ich den Hut vor diesem Umdenken.
„Es war ein nicht erwarteter, in unserem Land wohl auch mutiger Schritt von Wallner.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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