Mit Nadel und Faden zur Perfektion

Kultur / 30.11.2023 • 20:38 Uhr
Rainer Schedler ist Mitinitiator des Projekts „Handwerk und Form“. Mackowitz
Rainer Schedler ist Mitinitiator des Projekts „Handwerk und Form“. Mackowitz

Andelsbuch Im „Museum des Wandels“ der Schaffarei blickt der Bregenzerwälder Schneidermeister Rainer Schedler auf sein Berufsleben zurück. Die Ausstellung ist gleichzeitig im Foyer der AK Vorarlberg in Feldkirch und im Werkraum Bregenzerwald in Andelsbuch zu sehen. Rainer Schedler wurde 1944 in Andelsbuch geboren. Als es um die Berufswahl geht, steht schnell fest: Der jüngste von vier Brüdern soll Schneider werden, wie sein Vater. Das Handwerk gefällt ihm – und es ist praktisch: „Wenn man in den 50er-Jahren modern gekleidet war, war das schon etwas anderes. Ich habe mir damals Sachen genäht, die auffielen“, erzählt er. Mit 21 Jahren ist er der jüngste Schneidermeister Vorarlbergs. 1967 macht er sich selbstständig. Anfang der 70er-Jahre gibt ihm sein Schwiegervater den Anstoß, auch in den Modehandel einzusteigen. Denn mit der Verbreitung der Konfektionsware wächst der Druck auf die Vorarlberger Schneiderinnen und Schneider.

Veränderung

Wurden früher für einen dreiteiligen Anzug 50 Stunden gerechnet, sind es bald nur noch 20. Und auch das reicht irgendwann nicht mehr aus, um mit den Preisen der Industrie mithalten zu können. Was vom Handwerk bleibt, sind Änderungsarbeiten, Trachten und Einzelanfertigungen für Menschen, die nicht so leicht etwas von der Stange finden: „Ich hatte zum Beispiel einige Querschnittgelähmte, für die musste der Anzug sitzend passen – das ist ja etwas total anderes“, berichtet Schedler. Schneiderbetriebe, die nicht wie Rainer Schedler umdenken, verschwinden nach und nach fast vollständig.

Als der örtliche Handwerksverein sein 200-jähriges Jubiläum feiert, macht Schedler einen Vorschlag: „Die Handwerker sollten einen Designer bringen und mit mir gemeinsam ein neues Produkt entwerfen, das wir dann ausstellen.“ Gemeinsam mit Harry Metzler und Johannes Mohr entwickelt der Handwerksverein daraus das Konzept „Handwerk und Form“. Der Gestaltungswettbewerb, den der Werkraum Bregenzerwald seit dem Jahr 2000 alle drei Jahre ausschreibt, basiert auf dieser Idee.

Was für Kuratorin Michaela Feurstein-Prasser die Arbeit von Rainer Schedler so besonders macht? „Rainer Schedler hat es wie kein anderer verstanden, dass man sich nicht nur auf die Tradition berufen kann, sondern dass es auch Impulse von außen braucht. Veränderungen haben innerhalb weniger Jahrzehnte den Schneiderberuf und die Textilbranche umgekrempelt. Dennoch ist es Schedler gelungen, einen Weg zu finden, der für ihn funktioniert hat.“ Noch heute näht Schedler: Zum Beispiel für die Enkel und Schwiegersöhne, wenn sie Anzüge benötigen. Erst in diesem Jahr wurde seine Einreichung „Anzügle + Anzug“ von der „Handwerk und Form“-Jury ausgezeichnet. Und auch für die Andelsbucher Musikkapelle greift er regelmäßig zu Nadel und Faden.

Die Vernissage findet am heutigen Freitag, 1. Dezember, um 19 Uhr im Werkraum Bregenzerwald statt. VN-AMA