Asmik Grigorian begeistert als „Turandot”

Kultur / 10.12.2023 • 16:45 Uhr
Guths Regiearbeit verlieh der Geschichte um Prinz Calaf und Prinzessin Turandot eine frische und eindrucksvolle Perspektive.  <span class="copyright">MONIKA RITTERSHAUS</span>
Guths Regiearbeit verlieh der Geschichte um Prinz Calaf und Prinzessin Turandot eine frische und eindrucksvolle Perspektive. MONIKA RITTERSHAUS

Die Premiere an der Wiener Staatsoper überzeugt mit eindrucksvoller Darbietung und innovativer Neuinterpretation.

Wien Am 10. Dezember 2023 erlebte die Wiener Staatsoper eine beeindruckende Premiere von Giacomo Puccinis „Turandot“. Unter der musikalischen Leitung von Marco Armiliato und der Regie von Claus Guth wurde ein Abend voller musikalischer und szenischer Höhepunkte geboten. Die Neuinterpretation der Geschichte um Prinz Calaf und die geheimnisvolle Prinzessin Turandot erstrahlte in neuem Licht. Guths Regiearbeit zeichnete sich durch eine psychologisch tiefgründige Darstellung der von ihrer Vergangenheit geprägten Turandot aus, die auf exotischen Kitsch verzichtete und Puccinis Werk eine frische, zeitgemäße Perspektive verlieh.

Asmik Grigorian ist sicherlich die Turandot unserer Zeit.  <span class="copyright">MONIKA RITTERSHAUS</span>
Asmik Grigorian ist sicherlich die Turandot unserer Zeit. MONIKA RITTERSHAUS

Der Abend war unbestreitbar von der herausragenden Leistung der Sopranistin Asmik Grigorian geprägt, die in der Rolle der Turandot ihre volle künstlerische Brillanz entfaltete. In einem prächtigen Brautkleid und mit langen weißen Haaren verlieh sie der Arie „In questa reggia” eine beeindruckende Klarheit, die von einer tiefen inneren Leidenschaft zeugt und beim Publikum für Gänsehaut sorgte. Ihre Spitzentöne, zugleich verletzlich und von eiserner Stärke, erfüllten die Wiener Staatsoper mit einer unvergleichlichen Intensität.

Grigorians Darstellung der Turandot zeichnet sich durch eine tiefgründige Charakterisierung aus. <span class="copyright">MONIKA RITTERSHAUS</span>
Grigorians Darstellung der Turandot zeichnet sich durch eine tiefgründige Charakterisierung aus. MONIKA RITTERSHAUS

Grigorian stellt Turandot als eine traumatisierte Persönlichkeit dar, die sich dem Schicksal nicht beugen will. Ihre schmerzhaften Erlebnisse liegen nicht in der Vergangenheit verborgen, sondern halten sie in einem schrecklichen Moment ihres Lebens gefangen. Dieser Moment offenbart eine tragische Verstrickung von Ehe und Gewalt. Als eiskalte Prinzessin, umgeben von menschlichen Marionetten, spiegelt Turandot das Leid wider, das sie offensichtlich durch Missbrauch erfahren hat und das sich tief in sie eingegraben hat. Ihre Ängste fesseln sie ans Bett, während Guth sie als Frau zwischen Grausamkeit und Phobie darstellt. Erst Calafs beharrliche Bemühungen ermöglichen ein Happy End und die Aussicht auf eine Beziehung.

Kristina Mkhitaryans Leistung als Liù wurde mit begeistertem Applaus belohnt.<span class="copyright">MONIKA RITTERSHAUS</span>
Kristina Mkhitaryans Leistung als Liù wurde mit begeistertem Applaus belohnt.MONIKA RITTERSHAUS

Kristina Mkhitaryan gab als Liù eine ergreifende Vorstellung. Ihre Interpretation der Figur zeigte eine eindrucksvolle Bandbreite an Emotionen und ihr „Signore Ascolta” zeugte von ihrer unvergleichlichen stimmlichen Schönheit. Mkhitaryans Leistung wurde vom Publikum mit begeistertem Applaus belohnt und unterstrich ihre Rolle als eine der Schlüsselfiguren dieser Produktion.

Jonas Kaufmann in der Rolle des Prinzen Calaf.<span class="copyright">MONIKA RITTERSHAUS</span>
Jonas Kaufmann in der Rolle des Prinzen Calaf.MONIKA RITTERSHAUS

Jonas Kaufmann, in der Rolle des Calaf, hielt eine gute Balance zwischen technischem Können und emotionalem Ausdruck. Sein „Nessun dorma” riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin, auch wenn der Startenor insgesamt kleine Unstimmigkeiten in der Intonation hatte.

Interessante Neuinterpretation dank der Verwendung von Symbolen und Bezügen zu Sigmund Freud und Franz Kafka.<span class="copyright">MONIKA RITTERSHAUS</span>
Interessante Neuinterpretation dank der Verwendung von Symbolen und Bezügen zu Sigmund Freud und Franz Kafka.MONIKA RITTERSHAUS

Die Inszenierung von Claus Guth verdient besondere Erwähnung. Sein Ansatz, der sich auf psychologische Tiefe und zeitlose Relevanz konzentrierte, verlieh der Inszenierung eine neue Ebene. Die Verwendung von Symbolen und Bezügen zu Sigmund Freud und Franz Kafka bot dem Publikum eine interessante Neuinterpretation des klassischen Märchens. Wie so oft bei mutigen Inszenierungen war auch diese nicht unumstritten und so gab es am Ende neben Bravo-Rufen auch einen regelrechten Buh-Sturm für das Regieteam. Das Video dazu kann online angesehen werden.

Bühnenbildner Etienne Pluss und Kostümbildnerin Ursula Kudrna tragen zur visuellen Gestaltung bei.<span class="copyright">MONIKA RITTERSHAUS</span>
Bühnenbildner Etienne Pluss und Kostümbildnerin Ursula Kudrna tragen zur visuellen Gestaltung bei.MONIKA RITTERSHAUS

Bühnenbildner Etienne Pluss und Kostümbildnerin Ursula Kudrna trugen entscheidend zur visuellen Gestaltung der Produktion bei. Ihre Arbeit schuf eine Atmosphäre, die sowohl realistisch als auch abstrakt war und die Vision des Regisseurs perfekt unterstützte.

Der Chor präsentierte sich in herausragender Verfassung.<span class="copyright">MONIKA RITTERSHAUS</span>
Der Chor präsentierte sich in herausragender Verfassung.MONIKA RITTERSHAUS

Die musikalische Leitung von Marco Armiliato zeichnete sich durch eine eindrucksvolle Darstellung der emotionalen Vielschichtigkeit und Komplexität des Werkes aus. Sowohl das Staatsopernorchester als auch der Chor präsentierten sich in herausragender Verfassung und trugen wesentlich zum Erfolg der Aufführung bei.

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Obwohl ein Teil des Publikums bei der Premiere mit Buhrufen seinen Unmut kundtat, war die Aufführung insgesamt ein großer Erfolg. Sie zeichnete sich nicht nur durch hervorragende musikalische und szenische Leistungen aus, sondern beeindruckte auch durch eine innovative Neuinterpretation.