Fräulein Liesers unverhoffte Rückkehr

Kultur / 26.01.2024 • 13:20 Uhr
Das Bild "Bildnis Fräulein Lieser" von Gustav Klimt wurde am Donnerstag in Wien präsentiert.  <span class="copyright">APA/ROLAND SCHLAGER</span>
Das Bild "Bildnis Fräulein Lieser" von Gustav Klimt wurde am Donnerstag in Wien präsentiert. APA/ROLAND SCHLAGER

Verschollen geglaubtes Damenporträt von Klimt in Wien präsentiert.

Wien Am Donnerstag hat das Wiener Auktionshaus im Kinsky ein verschollen geglaubtes Gemälde von Gustav Klimt (1862-1918) der Öffentlichkeit präsentiert. Das “Bildnis Fräulein Lieser” stammt aus dem Jahr 1917 und somit aus dem Spätwerk des weltbekannten Künstlers der Moderne. Das farbenprächtige Dreiviertelporträt war jahrzehntelang im Verborgenen in österreichischem Privatbesitz.

Das "Bildnis Fräulein Lieser" stammt aus dem Jahr 1917.  <span class="copyright">APA/ROLAND SCHLAGER</span>
Das "Bildnis Fräulein Lieser" stammt aus dem Jahr 1917. APA/ROLAND SCHLAGER

Das 140 mal 80 Zentimeter große Bild zeigt eine junge Frau in strenger frontaler Haltung vor rotem Hintergrund. Klimt soll hier die 18-jährige Constance Margarethe Lieser, Tochter von Adolf Lieser, porträtiert haben. Die Brüder Adolf und Justus Lieser zählten zu den führenden Großindustriellen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Klimt begann das Gemälde vermutlich im Mai 1917, nachdem ihm die Dargestellte innerhalb weniger Wochen neun Mal Modell gestanden hatte.

Gustav Klimt dürfte im Mai 1917 mit dem Gemälde begonnen haben.   <span class="copyright">Josef Anton Trčka/wikipedia</span>
Gustav Klimt dürfte im Mai 1917 mit dem Gemälde begonnen haben. Josef Anton Trčka/wikipedia

Nach dem Tod des Malers am 6. Februar 1918 ging das Werk an den Auftraggeber zurück. 1925 wurde das Gemälde in der Neuen Galerie von Otto Kallir-Nirenstein ausgestellt. Dort wurde vermutlich auch die Schwarz-Weiß-Fotografie angefertigt, deren Negativ sich als bisher einziges bildliches Zeugnis des Porträts im Archiv der Nationalbibliothek befindet. Auf der Inventarkarte ist vermerkt: “1925 in Besitz von Frau Lieser, IV, Argentinierstrasse 20”. Diese Adresse habe Henriette Lieser gehört.

Auf der Inventarkarte findet sich der Vermerk: "1925 in Besitz von Frau Lieser, IV, Argentinierstrasse 20".  <span class="copyright">APA/ROLAND SCHLAGER</span>
Auf der Inventarkarte findet sich der Vermerk: "1925 in Besitz von Frau Lieser, IV, Argentinierstrasse 20". APA/ROLAND SCHLAGER

Sie blieb trotz der NS-Diktatur in Wien, wurde 1942 deportiert und ermordet. Ihre Töchter hätten nach Kriegsende zwar die Rückstellung ihres Vermögens erwirkt, das Gemälde aber nirgends erwähnt oder gar zurückverlangt, heißt es in der Auktionsbroschüre: “Ebenso haben es alle anderen von den Repressalien der Nationalsozialisten betroffenen Mitglieder der Familie Lieser gehalten.” Auch sei das Bild nachweislich nie aus Österreich ausgeführt worden. Fest stehe, dass das “Bildnis Fräulein Lieser” zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in den Kunsthandel gelangt sei. Die jetzigen Besitzer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, davor sei es über mehrere Generationen weitervererbt worden. Seit etwa Mitte der 1960er-Jahre habe es sich im Salon einer Villa in der Nähe von Wien befunden.

Tobias G. Natter, ehemaliger Direktor des Vorarlberger Landesmuseums, ist Spezialist für Gustav Klimt. <span class="copyright">Natter</span>
Tobias G. Natter, ehemaliger Direktor des Vorarlberger Landesmuseums, ist Spezialist für Gustav Klimt. Natter

Der Vorarlberger Klimt-Experte Tobias G. Natter: „Als im Wiener Auktionshaus im Kinsky der Vorhang fiel, oder vielmehr gelüftet und das ‚Bildnis Fräulein Lieser‘ enthüllt wurde, ging ein Raunen durch Wien und die Kunstwelt. Das verloren geglaubte Kunstwerk verschwand über ein Jahrhundert im Privatbesitz. Klimt verstarb 1918, das Gemälde ist unvollendet, gilt aber trotzdem als eines der schönsten Werke der letzten Schaffensperiode des berühmten österreichischen Malers. Bisher existierte nur eine Fotografie davon. Am 24. April soll die Versteigerung in Wien stattfinden. Manche rechnen mit einem Erlös von bis zu 50 Millionen Euro. Andere können sich bis zu 100 Millionen Euro vorstellen. Wie gesagt – eine Sensation. Zuvor jedoch wird das Gemälde der Welt gezeigt. Das Bundesdenkmalamt hat die Ausfuhrgenehmigung bereits erteilt. Wo Fräulein Lieser seine neue Heimat finden wird, weiß man noch nicht, sie wird aber bestimmt viele glücklich machen.“

Zwei Wochen vor dem Auktionstermin wird das Bild in den Räumlichkeiten des Kinsky der Öffentlichkeit präsentiert. <span class="copyright">APA/ROLAND SCHLAGER</span>
Zwei Wochen vor dem Auktionstermin wird das Bild in den Räumlichkeiten des Kinsky der Öffentlichkeit präsentiert. APA/ROLAND SCHLAGER

Bevor das Gemälde am 24. April im Auftrag der jetzigen Eigentümer unter den Hammer kommt, wird es rund zwei Wochen vor dem Auktionstermin in den Räumlichkeiten des Kinsky der Öffentlichkeit präsentiert.