Ein Himmel voller Klangfarben

Kultur / 11.02.2024 • 18:15 Uhr
Im Mittelpunkt des Konzerts stand der in Bregenz geborene Komponist Richard Dünser. <span class="copyright">Udo Mittelberger</span>
Im Mittelpunkt des Konzerts stand der in Bregenz geborene Komponist Richard Dünser. Udo Mittelberger

Richard Dünser bei den Meisterkonzerten mit Bearbeitungen der Zweiten Wiener Schule.

BREGENZ Es gehört für einen Veranstalter wie das Bregenzer Kulturservice schon eine Portion Mut dazu, an einem Faschingssamstag in der Reihe der renommierten Meisterkonzerte erstmals einen Abend ausschließlich mit Neuer Musik anzusetzen. Das Risiko wird belohnt, bleiben doch auch dank intensiver Werbemaßnahmen nur wenige Plätze im sonst vollbesetzten Festspielhaus frei. Und schließlich geht es hier auch um nichts weniger als ein Porträtkonzert des in Bregenz geborenen, an der Musikuniversität Graz tätigen und international viel beachteten Komponisten Richard Dünser zum 65. Geburtstag am 1. Mai. Ein Heimspiel also eines gut Bekannten, mit großem Bahnhof. Das Konzert wird von Dünsers Sohn Simon für eine CD mitgeschnitten und erscheint im Label Zappelmusic des Feldkirchers Joe Morscher, auch eine Biografie „Komponist im Kontinuum“ von Rainer Lepuschitz wird vom Leykam Universitätsverlag präsentiert.

Der international viel beachtete Richard Dünser lehrt an der Musikuniversität Graz. <span class="copyright">Udo Mittelberger</span>
Der international viel beachtete Richard Dünser lehrt an der Musikuniversität Graz. Udo Mittelberger

Richard Dünser wird diesmal von einer für viele weniger bekannten Seite gezeigt, nämlich als Bearbeiter von Werken der Zweiten Wiener Schule. Nicht, weil ihm für Eigenes die Ideen ausgegangen wären, ganz im Gegenteil. Aber Dünser ist im vorbereitenden Gespräch mit Bettina Barnay-Walser auf der Bühne der festen Ansicht, dass das Befassen mit Werken anderer Meister auch einem Komponisten von heute durchaus neue Aspekte und Sichtweisen für sein eigenes Schaffen eröffnet, wie es viele große Meister der Vergangenheit vor ihm taten.

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So sind es Werke der Protagonisten der Zwölftontechnik, Arnold Schönberg als „Erfinder“ und seine damaligen Schüler Alban Berg und Anton Webern, die Dünser neben Schubert und Mahler als „roots“, als „Großväter“ seines Schaffens und wichtige Impulsgeber benennt.

Richard Dünser im vorbereitenden Gespräch mit Bettina Barnay-Walser. <span class="copyright">Udo Mittelberger</span>
Richard Dünser im vorbereitenden Gespräch mit Bettina Barnay-Walser. Udo Mittelberger

Die an diesem Abend vorgestellten vier Werke der drei Komponisten entstanden alle um 1911, doch ist das auch nach über einhundert Jahren eine Musik, die noch immer nicht wirklich bei den Menschen „angekommen“ ist. Zu groß sind die Vorbehalte bei vielen, das sei unverständlich und dissonant, man wolle lieber Mozart hören. Da tritt nun Richard Dünser mit seinen Bearbeitungen für das Kammerorchester als eine Art Vermittler auf den Plan.

Die oberösterreichische Dirigentin Katharina Wincor. <span class="copyright">Udo Mittelberger</span>
Die oberösterreichische Dirigentin Katharina Wincor. Udo Mittelberger

Denn vieles von den im Original kargen Werken wie die Klaviersonate Nr. 1 von Berg, die aphoristisch knappen, expressiven vier Stücke für Violine und Klavier von Webern mit der Solistin Gunde Jäch-Micko oder die drei größer besetzten Drei Stücke für Klavier von Schönberg werden durch ein kluges, kulinarisches Einbetten in kleine Orchesterbesetzungen durchaus publikumsfreundlicher. Denn bei diesem Konzept tut sich nun plötzlich ein Himmel voller Klangfarben auf, wie sie typisch sind für Dünsers Schreibweise. Sein exakt ausgeklügeltes Händchen für stimmige, nie überladene und darum so wirkungsvolle Klangspektren machen aus einem spröden Stückchen Kammermusik ein ganz neues Stück Neuer Musik, ohne das Original zu verleugnen. Um Dünsers wahre Kunst der Bearbeitung kompetent zu beurteilen, sollte man freilich so wie in der Parodie das Original kennen, um dann Vergleiche ziehen zu können.

Die an diesem Abend vorgestellten vier Werke der drei Komponisten entstanden alle um 1911. <span class="copyright">Udo Mittelberger</span>
Die an diesem Abend vorgestellten vier Werke der drei Komponisten entstanden alle um 1911. Udo Mittelberger

Ein Programm dieser Komplexität auf solchem Niveau darzubieten, wie es am Samstag durchwegs brillant gelungen ist, bedarf schon eines ausgefuchsten Spezialistenensembles für die Besonderheiten dieser Musik, ihren extremen Spielweisen, ihrer Mikrotonalität. Dafür ist das 1985 von Beat Furrer gegründete Klangforum Wien international eine erste Adresse geworden, und es ist ein Glücksfall, dass es seit Langem zu einer engen Zusammenarbeit mit Richard Dünser gekommen ist. Allein die blutjunge, in ihrem Auftreten oft fast mädchenhafte oberösterreichische Dirigentin Katharina Wincor versteht mit sparsamen Mitteln auf der Bühne und im Saal eine unglaubliche Spannung aufzubauen, die den Abend trägt.

Das 1985 von Beat Furrer gegründete Klangforum Wien.  <span class="copyright">Udo Mittelberger</span>
Das 1985 von Beat Furrer gegründete Klangforum Wien. Udo Mittelberger

Das kommt auch der einzigen Eigenkomposition Dünsers zugute, einem „Entreact“, 2015 entstanden als Bindeglied zu Schönbergs berühmten 15 schwül-erotischen Klavierliedern im „Buch der hängenden Gärten“ nach Gedichten von Stefan George. Dieser Zyklus, mit dessen Bearbeitung Dünser in neue Freiheiten vorstößt und höchste Anforderungen stellt, bildet mit der großartig formulierenden polnisch-österreichischen Sopranistin Magdalena Anna Hofmann den fulminanten Schlusspunkt.

Fritz Jurmann

5. Bregenzer Meisterkonzert, Festspielhaus, 18. April, 19.30 Uhr: Beethoven, Weinberg, Rachmaninow (Royal Philharmonic Orchestra, Leitung Vasily Petrenko)