Große Retrospektive des österreichischen Künstlers Günter Brus

Die Ausstellung wird am Freitagabend im Kunsthaus Bregenz eröffnet.
Bregenz Das Kunsthaus Bregenz (KUB) präsentiert eine umfassende Retrospektive des österreichischen Aktionskunstkünstlers, Zeichners und Literaten Günter Brus, dessen radikales Werk die Grenzen der traditionellen Malerei sprengt und tief in die Abgründe der menschlichen Psyche vordringt. Die Ausstellung, die in enger Zusammenarbeit mit dem BRUSEUM am Universalmuseum Joanneum in Graz entstanden ist, beleuchtet die vielschichtigen Schaffensphasen von Brus und bietet einen seltenen Einblick in das Werk eines der provokantesten Künstler des 20. Jahrhunderts.

Im Erdgeschoss beginnt die Ausstellung mit Brus’ frühen Arbeiten, die während seiner Zeit an der Akademie und auf Mallorca entstanden sind. Diese Werke, die sich durch die Darstellung menschenleerer Räume und Stühle auszeichnen, sind stille Zeugen einer tiefen Lebenskrise. Die Verwendung von schwarzer Kreide und grauem Graphit verleiht den Arbeiten eine düstere, fast gespenstische Qualität, die den Betrachter unmittelbar in Brus’ Welt der Isolation und Entfremdung hineinzieht. Die Verwandlung der kargen Landschaften in abstrakte architektonische Formen deutet bereits auf Brus’ späteres Bestreben hin, die Grenzen der Malerei zu überschreiten.

Die informelle Phase, die im ersten Obergeschoss präsentiert wird, markiert einen radikalen Bruch in Brus’ künstlerischer Entwicklung. Inspiriert durch die Begegnung mit der Malerin Joan Merritt und den Werken der „New York School“ begann Brus, die Leinwand mit einer Intensität und Aggressivität zu bearbeiten, die in der österreichischen Kunstszene bis dahin unbekannt war. Die Werke dieser Periode sind geprägt von einer rohen, ungestümen Energie, die den Betrachter sofort in ihren Bann zieht. Brus’ Technik, das Papier mit heftigen Pinselschlägen zu bearbeiten, macht die Malerei zu einem Akt der Befreiung und Rebellion gegen die starren Konventionen des Kunstbetriebs.

Im zweiten Stock erreicht die Ausstellung ihren Höhepunkt mit den berühmten Aktionen von Günter Brus, in denen er seinen eigenen Körper als künstlerisches Ausdrucksmittel einsetzt. Die dokumentierten Performances, wie etwa der „Wiener Spaziergang“, bei dem Brus komplett weiß bemalt und mit einer schwarzen Linie überzogen durch Wien spazierte, stellen eine direkte Konfrontation mit der Öffentlichkeit und den herrschenden gesellschaftlichen Normen dar.

Diese Aktionen, die oft zu öffentlichen Skandalen und juristischen Konsequenzen führten, sind ein Zeugnis für Brus’ kompromissloses Engagement, Kunst als lebendiges, atmendes Wesen zu begreifen, das in der Lage ist, tiefgreifende gesellschaftliche Fragen zu stellen.

Eine weitere Facette des Schaffens von Günter Brus offenbart sich im dritten Obergeschoss: seine Bildgedichte und Aquarelle. Häufig von literarischen Figuren und Dichtern wie William Blake oder Victor Hugo inspiriert, zeigen sie Brus’ Fähigkeit, bildende Kunst und Poesie zu verschmelzen. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl dieser Serien, die in einem intensiven Schaffensprozess entstanden sind und Brus’ tiefe Verwurzelung in der literarischen Tradition sowie seine unerschöpfliche Lust am Erzählen offenbaren.

Die während des Lockdowns entstandenen Aquarelle, die in leuchtenden Farben märchenhafte Szenen darstellen, stehen im Kontrast zu den früheren, eher düsteren Arbeiten und zeugen von einer künstlerischen Entwicklung, die auch in Zeiten der Isolation von einer ungebrochenen Schaffenskraft getragen wird.

Integraler Bestandteil der Ausstellung sind die KUB-Billboards entlang der Bregenzer Seestraße, die Brus’ Self-Paintings einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Diese Fotografien, die den Künstler in einem Akt der Selbsttransformation zeigen, erweitern die Ausstellung in den öffentlichen Raum und unterstreichen die zentrale Rolle, die der Körper und seine Darstellung im Werk von Brus spielen.

Brus, der am 10. Februar 2024 in Graz verstorben ist, hätte sich über die Ausstellung in Bregenz sehr gefreut, ist Bruseum-Direktor Roman Grabner überzeugt. Noch aus dem Krankenhaus habe sich der Künstler nach dem Fortgang erkundigt. „Er hat bis zum Schluss daran gedacht.“
Die Ausstellungseröffnung findet am 16. Februar um 19 Uhr statt, am Samstag, den 17. Februar, gibt es ab 11 Uhr eine spannende Dialogführung mit KUB-Direktor Thomas D. Trummer und Roman Grabner.
Ausstellung Günter Brus, Kunsthaus Bregenz, 17. Februar bis 20. Mai, Eröffnung am 16. Februar, 19 Uhr. www.kunsthaus-bregenz.at