Musik aus der Dunkelheit

Österreichische Erstaufführung von „Solstices“ von Georg Friedrich Haas durch ensemble plus.
DORNBIRN Es hat einiges Aufsehen in der Musikszene des Landes ausgelöst, als vor einem Jahr im Kulturhaus das Werk „Solstices“ des mit Vorarlberg verbundenen Komponisten Georg Friedrich Haas durch das Walk-Tanztheater und das ensemble plus mehrmals vor ausverkauftem Haus aufgeführt wurde. Das besondere Interesse an dieser Tanzperformance galt unter anderem der Tatsache, dass die einleitende etwa zehn Minuten dauernde Passage in völliger Dunkelheit stattfand. Doch die Geschichte geht weiter. Nun wird am 24. Februar, diesmal im ORF Landesfunkhaus Dornbirn und ohne Tanz, die komplette musikalische Originalfassung dieses Werks von 75 Minuten Dauer zur österreichischen Erstaufführung gebracht und dabei für eine spätere Veröffentlichung auf Tonträgern mitgeschnitten – wieder in völliger Dunkelheit.

Finanziert wird dieses Projekt durch einen mit 4000 Euro dotierten Anerkennungspreis, den das heimische ensemble plus mit seinem Leiter Guy Speyers für ihr aktives Eintreten für die zeitgenössische Musik im Vorjahr bei einem von den VN in Kooperation mit der Wiener Städtischen Versicherung Vorarlberg durchgeführten Kunst- und Kulturpreis errungen hat. Dieser Kunstpreis wird derzeit in zweiter Auflage neu ausgeschrieben.

Speyers: „Dieses Projekt ist für mich das wichtigste, seit ich die Leitung des Ensembles übernommen habe, und ohne dieses Preisgeld hätten wir es nicht finanzieren können. Es ist eine große Ehre für uns, dass wir von Georg Friedrich Haas persönlich die Erlaubnis zu dieser Uraufführung erhalten haben, und es stellt eine einzigartige Gelegenheit auch für uns dar.“ Was der große Komponist von diesen Interpreten hält, gab er erst kürzlich der Musikjournalistin Silvia Thurner in einem Interview zu Protokoll: „Es gibt Menschen, die an die neuen Musikwelten glauben. Die sich mit größter Ernsthaftigkeit und Energie dafür einsetzen. In Vorarlberg zum Beispiel Guy Speyers und das ensemble plus sowie das Walk Tanztheater.“

Der heute 70-jährige Komponist Georg Friedrich Haas kam in Graz zur Welt und wuchs im Montafon auf. Seine problematischen Erinnerungen an diese Zeit mit nationalsozialistisch geprägten Eltern und Verwandten hat er 2022 in seiner Autobiografie „Durch vergiftete Zeiten – Memoiren eines Nazibuben“ (Verlag Böhlau) verarbeitet. Aber auch später blieb Haas seiner Wahlheimat Vorarlberg verbunden. So wurden bei den Bregenzer Festspielen unter Intendant Alfred Wopmann seine beiden Opern „Nacht“ und „Die schöne Wunde“ geboten, Dornbirn Klassik präsentierte vor einigen Jahren die Uraufführung von zweien seiner Orchesterwerke.
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Im vergangenen November war Haas persönlich zu Gast beim Festival „texte & töne“ des ORF Vorarlberg. Seit 2013 lebt und arbeitet er an der Columbia University in New York und gilt heute unbestritten als einer der führenden und innovativsten Köpfe der Neuen Musik in unserer Gegenwart. Sein Markenzeichen ist eine mikrotonale Musik, die von den Ausführenden ein besonderes Maß an Offenheit und Verständnis voraussetzt und den Zuhörern sinnliche Erfahrungen bietet, wie sie auch in seinem 2018 entstandenen „Solstices“ zu finden sind. Die von dem höchst sensiblen Künstler geforderte Spielanweisung einer Aufführung bei völliger Dunkelheit geht auf die politische Lesart seiner Arbeiten zurück.
FRITZ JURMANN
24. Februar, 20.00 Uhr
ORF-Landesfunkhaus Dornbirn: „Solstices“ von Georg Friedrich Haas, österreichische Erstaufführung (ensemble plus)
Eintritt frei, Reservierung empfohlen: karten.vbg.@orf.at