“Civil War”: Packendes Antikriegsgedicht

Kultur / 17.04.2024 • 11:22 Uhr
Film Review - Civil War
Der Actionthriller mit Kirsten Dunst (“Spider Man”) als Kriegsfotografin in der Hauptrolle zeichnet eine brutale und erschreckend realistische Dystopie einer gespaltenen Nation in der Zukunft. ap

In naher Zukunft ist in Amerika ein zweiter Bürgerkrieg ausgebrochen.

Thriller Es braucht schon Chuzpe, einen Film wie “Civil War” zu machen. Alex Garlands bildgewaltiger Antikriegsfilm stellt sich einen neuen Bürgerkrieg in den USA vor – und das in einem Wahljahr. Am Ende tut er etwas, was sich nur die wenigsten Filmemacher trauen würden. Schwer zu sagen, ob es eine heftige Warnung oder eine finstere Prophezeiung sein soll. Vielleicht beides. Ein eindringliches Erlebnis. Ab Donnerstag im Kino.

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Garland, der britische Filmemacher hinter den Sci-Fi-Schönheiten “Ex Machina” (2014) und “Auslöschung” (2018), war nie einer, der vor einer erzählerischen Herausforderung zurückschreckte. Sein vorheriger Film “Men” (2022) war eine Freak-Filmorgie, in der sich der englische Schauspieler Rory Kinnear immer wieder selbst zur Welt brachte (das ist genauso grauenhaft wie es klingt). “Civil War” ist da keine Ausnahme, aber es ist ein besserer Film und er fühlt sich viel lebensechter an als alles, was der Regisseur bisher gemacht hat.

In naher Zukunft ist in Amerika ein zweiter Bürgerkrieg ausgebrochen. Aus einst besonnten Städten steigen schwarze Rauchwolken auf. “Jedes Mal, wenn ich ein Kriegsgebiet überlebt habe, dachte ich, ich würde eine Warnung nach Hause schicken”, erzählt Kirsten Dunsts abgestumpfte Kriegsberichterstatterin einem anderen. “Aber hier sind wir”, seufzt sie.

Film Review - Civil War
Die erprobte Lee (eine stoische und großartige Kirsten Dunst) und ihr Adrenalin-Junkie-Kollege Joel (Wagner Moura aus “Narcos”). ap

Ausgerechnet das rote Texas und das blaue Kalifornien haben sich zusammengetan, um den Präsidenten (ein Trump-artiger Nick Offerman) zu stürzen, einen faschistischen Spinner, der sich im Weißen Haus verschanzt hat. Er ist bereits zum dritten Mal im Amt, nachdem er das FBI aufgelöst und Luftangriffe auf seine eigenen Landsleute angeordnet hat. Ganz zu Beginn hält eine TV-Rede an die Nation und faselt etwas vom “größten Sieg in der Geschichte der Menschheit”.

Unversehens wurde “Civil War” in den USA dafür kritisiert, die Spannungen zwischen Demokraten und MAGA-Anhängern nur wenige Monate vor den US-Wahlen im November zu befeuern. Es ist ein zutiefst politischer Film, aber es geht Garland, der das Drehbuch vor dem Sturm auf das Kapitol im Jahr 2021 geschrieben hat, nicht wirklich um die Politik, sondern um die moralischen Minenfelder des Kriegsjournalismus.

Film Review - Civil War
“Civil War” ist auch ein Roadmovie mit brutalen Bildern. ap

Wir, das Publikum, sind eingebettet in eine kleine Crew von Reportern und sehen das, was wir sehen, oft durch die Fotoaufnahmen der Journalisten, die der Kameramann Rob Hardy in Schwarz-weiß-Gemälden festhält. Die erprobte Lee (eine stoische und großartige Kirsten Dunst), ihr Adrenalin-Junkie-Kollege Joel (Wagner Moura aus “Narcos”), ihr Mentor Sammy (Steven McKinley Henderson) und die Anfängerin Jessie (Cailee Spaeny sehr viel besser hier als in “Priscilla”) fahren nach Washington D.C., um den Präsidenten zu interviewen, bevor er getötet oder gefangen genommen wird.

Von da an ist “Civil War” im Grunde ein Roadmovie, der einen mit seinen brutalen Bildern an den Beginn von “28 Days Later” erinnert, jenen Zombiefilm, den Garland vor über zwei Jahrzehnten für Danny Boyle schrieb. Es gibt Flüchtlingslager in Football-Stadien, Autokarambolagen auf dem Highway und Leichen, die von Brücken hängen. Spät im Film taucht Jesse Plemons als bigotter Schütze mit herzförmiger Sonnenbrille und einer Ladung Leichen in seinem Transporter auf. Die allerletzte Szene brennt sich ins Gedächtnis ein, muss aber selbst erlebt werden.

Film Review - Civil War
Mit dabei ist auch Cailee Spaeny, bekannt aus “Priscilla”. ap

Auch wenn Garland seinem Publikum viel abverlangt, sein Film ist beeindruckend gemacht, ja manchmal sogar schön. Glut flattert wie Glühwürmchen in der Luft. Schüsse fliegen wie Sternschnuppen über den Abendhimmel. Hubschrauber schweben wie Libellen. Wir erfahren nie wirklich, was genau zum titelgebenden Bürgerkrieg geführt hat. Garland interessiert sich nicht für rote Staaten gegen blaue Staaten. Wenn überhaupt, zeigt er wie sinnlos ein solch zweispuriges Denken ist. Am Ende steckt das Land so tief im Krieg, dass jeder irgendwie vergessen hat, warum er überhaupt kämpft. “Jemand versucht, uns zu erschießen, also müssen wir sie zuerst töten”, sagt ein Soldat in einer Szene. Ein Satz, der uns alles über den Stand der Dinge in Amerika verrät.

Civil War

USA/GB 2024

119 min

Regie: Alex Garland

Mit: Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny, Nick Offerman, Jefferson White

Start: 18. April