Auf den Gipfeln des Liedgesangs

Kultur / 03.05.2024 • 13:01 Uhr
Andrè Schuen/Daniel Heide
Die „Schöne Müllerin“ wurde von Andrè Schuen und Daniel Heide mit beispielloser Intensität interpretiert. schubertiade

Mauro Peter/Helmut Deutsch und Andrè Schuen/Daniel Heide bei der Schubertiade


hohenems Fassungslose Stille. Dann ein verfrühter Klatscher, der gleich wieder abbricht, ein weiterer. Dann löst sich das Gesicht des Sängers in einem befreiten Lächeln und der Beifallssturm bricht los. Das Schubertiade-Publikum hat gerade einer beispiellos intensiven Aufführung der „Schönen Müllerin“ mit Andrè Schuen und Daniel Heide beigewohnt, an diesem Nachmittag des 1. Mai in Hohenems.

Mauro Peter und Helmut Deutsch
Nicht enden wollender Beifall für Mauro Peter und Helmut Deutsch. schubertiade

Der bis auf den letzten Platz gefüllte Saal vibrierte schon vor Beginn geradezu vor gespannter Vorfreude. Heide setzte in forschem Tempo ein, mit deutlichen Akzenten, Schuens Bariton klang energiegeladen, in perfekter Textdeutlichkeit. Doch schon in „Wohin?“ kamen über der wunderschön perlenden Klavierbegleitung nachdenkliche Töne auf. In der „Danksagung an den Bach“ fand Schuen für die bange Frage „Zur Müllerin hin“ fast fahle Farben, „Am Feierabend“ geriet zu einem Minidrama mit furiosem Beginn, das in der zweiten Strophe mit verlangsamtem Tempo im gehauchten Piano-Schluss die Eifersucht erahnen ließ. In der Folge wurde das seelische Drama dieser abgewiesenen und betrogenen Liebe immer plastischer. Geradezu herzzerreißend gelang der „Morgengruß“ mit seinem „So muss ich wieder gehen“.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.

Tobende Eifersucht und bedrohliche Aggression gegen den Nebenbuhler im in rasantem Tempo herausgestoßenen Jägerlied, das „Sag‘ ihr!“ in „Eifersucht und Stolz“ fast geschrien. In den letzten resignierten und todtraurigen Liedern steigerten sich Schuen und Heide dann zu einer geradezu Gänsehaut erzeugenden, atemberaubenden emotionalen Intensität. Diese Stufe der Meisterschaft, der psychologischen Durchleuchtung, des differenzierten und mitreißenden Ausdrucks ist kaum mehr zu überbieten.

Andrè Schuen/Daniel Heide
In den resignierten und todtraurigen Liedern steigern sich Schuen und Heide zu einer Gänsehaut erzeugenden, atemberaubenden Intensität. schubertiade

Ganz anders geartet war der Liederabend mit Mauro Peter und Helmut Deutsch am Vorabend. Das lag natürlich auch am Programm: Mit einer Folge von einzelnen Liedern kann man nie die Intensität erreichen wie mit einem Zyklus. Doch kamen hier andere Qualitäten zum Zug. Zu Beginn standen Lieder nach Gedichten von Schuberts Ludlamshöhle-Freund Johann Gabriel Seidl auf dem Programm. Der Schweizer Tenor Mauro Peter, seit seinem sensationellen Einspringen 2012 gefeierter und geliebter Stammgast bei der Schubertiade, trat im bewährten Duo mit seinem früheren Lehrer Helmut Deutsch auf, einer Legende auf dem Gebiet der Liedbegleitung. Im „Wanderer an den Mond“ und „Sehnsucht“ kam seine wunderschöne Stimme mit weichem Legato voll zur Geltung, in der lebhafteren „Taubenpost“ trug Deutsch mit seiner fein abschattierten, aber trotzdem mit drive gespielten Klavierbegleitung den Gesang seines Partners auf Händen, der Text war perfekt verständlich. Es war herzerfrischend, wie überzeugend es Peter, der nun doch schon Ende dreißig ist, in diesen Liedern gelang, einen über beide Ohren verliebten romantischen Jüngling darzustellen, der seinen Gefühlsüberschwang einfach dem Publikum erzählen m u s s.

Mauro Peter und Helmut Deutsch
In den Liedern aus dem späten Zyklus „Schwanengesang“ herrscht eine düstere Stimmungen. schubertiade

In den Liedern nach Heinrich Heine aus dem späten Zyklus „Schwanengesang“, in denen düstere Stimmungen vorherrschen, ist die Stimmung eine andere. Nach den donnernden Einleitungsakkorden verlieh Peter dem titelgebenden „Atlas“ in tiefer Lage schmerzerfüllte Intensität, in „Ihr Bild“ klang die Stimme geradezu gespenstisch. In der „Stadt“ evozierte das Klavier perfekt eine unheimliche Atmosphäre, Peter fand zu bedrohlichen, fast metallischen Tönen. „Am Meer“ wurde zu einem veritablen Minidrama, mit schmelzendem Gesang mit Sextenbegleitung am Anfang und durch und durch ambivalentem Sehnen mit Grollen in der Klavierbegleitung am Schluss. Mit schmerzhaften Ausbrüchen und fast irre dann „Der Doppelgänger“.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.

Auch in den Liedern nach Ludwig Rellstab überzeugten Peter und Deutsch mit Ausdrucksvielfalt, das bekannte „Ständchen“ sang Peter so berückend, dass man ihn auf der Stelle gleich erhört hätte. Nicht enden wollender Beifall, zwei Zugaben: „Der liebliche Stern“ und das „Schwanenlied“.

Ulrike Längle